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Verleihung des Staatspreises zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch 2022

Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (24.03.2023)

Wien, 24.03.2023

Der Staatspreis zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch 2022 wurde an Assoc. Prof. PD. Dr. Michael J. Ausserlechner von der Medizinischen Universität Innsbruck verliehen.

Mit diesem Staatspreis werden herausragende wissenschaftliche Arbeiten gewürdigt, deren Ergebnisse zu den 3R (Replacement, Reduction, Refinement) beitragen und somit zu einer Vermeidung von Tierleid in Tierversuchen (Russel and Burch, 1959).1, 2

Arzneimitteltestung mit biogedrucktem 3D-Neuroblastom-Tumor-Umgebungsmodell

Prof. Ausserlechner erhält den Staatspreis für Ersatzmethoden zum Tierversuch für seine Publikation 3D bioprinted, vascularized neuroblastoma tumor environment in fluidic chip devices for precision medicine drug testing.3

In dieser Forschungsarbeit beschäftigen sich Herr Prof. Ausserlechner und sein Team, dessen Relevanz für den Erfolg der Projekte der Preisträger in seiner Rede betonte, mit dem Neuroblastom, einem extrakranialen soliden Tumor, der sich meist in der frühen Kindheit entwickelt. Bisher sind die Prognosen für die betroffenen Patient:innen oftmals schlecht 4 – aber Dank der Arbeiten der Innsbrucker Forschergruppe gibt es Hoffnung: Mit Hilfe des von ihnen entwickelten, hochmodernen tierversuchsfreien Tumormodells ist es möglich, eine Strategie bei der Bekämpfung dieser Krebserkrankung des Nervensystems zu verfolgen, die zu einer deutlichen Steigerung der Heilungschancen führt. Diese Strategie besteht in der Identifizierung patientenspezifischer Arzneimittelreaktionen in Gewebemodellen, die die Wechselwirkung zwischen den Krebszellen des jeweiligen Patienten/der jeweiligen Patientin und der Tumorumgebung nachahmen. Das von Herrn Prof. Ausserlechner und seinem Team entwickelte Neuroblastom-Tumor-Umgebungsmodell macht dies möglich: Das durchblutete und mikrovaskularisierte Modell, das mit dem 3D-Bioprinter direkt in individuell hergestellte fluidische Chips gedruckt wird, stellt eine Plattform dar, die sich zur Untersuchung der Tumorangiogenese und -metastasierung sowie zur Durchführung von personalisierten Arzneimittelvalidierungsstudien eignet.

Damit trägt diese tierversuchsfreie Methode nicht nur zum Tierschutz bei, sondern bietet ganz neue und vielversprechende Ansätze für die Krebsbehandlung- und heilung.

Details zur Methode

In dem biogedrucktem 3D-Neuroblastom-Tumor-Umgebungsmodell ahmt eine Hydrogelmatrix mit mehreren Zelltypen die Tumormikroumgebung nach, die die spontane Mikrogefäßbildung durch eingebettete Endothelzellen fördert. Biogedruckte Kanäle werden nach dem Drucken mit Endothelzellen beschichtet, um eine dichte Gefäß-Gewebe-Barriere zu bilden. Von Patient:innen stammende Neuroblastom-Sphäroide werden während des Druckvorgangs zu der Matrix hinzugefügt und über zwei Wochen lang kultiviert. Die Arbeitsgruppe um Herrn Prof. Ausserlechner konnte zeigen, dass Mikrogefäße von den Tumor-Sphäroiden angezogen werden und in sie hineinwachsen und dass Neuroblastomzellen in die Tumorumgebung eindringen, sobald die Sphäroide aufbrechen.

Verleihung des Staatspreises zur Förderung von Ersatzmethoden zum Tierversuch durch Bundesminister Prof. Martin Polaschek

Die Laudatio für den Preisträger erfolgte durch Mag. Clemens Wittwehr (Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission), die Preisvergabe durch Bundesminister Prof. Martin Polaschek. Der Bundesminister führte in seiner Rede an, dass er den Preis nicht nur als Möglichkeit zur Würdigung exzellenter Forschungsarbeiten im Bereich der Ersatzmethoden zu Tierversuchen sieht, sondern auch als Chance, um Aufmerksamkeit auf diesen wichtigen Forschungsbereich zu richten und Forschende in ihrem Engagement zu bestärken. Diese Motivation und Bestärkung ist laut betroffener Forscher:innen wohl auch notwendig; denn wenn es um die Förderung von Forschungsprojekten geht oder um die Publizierbarkeit von Forschungsergebnissen, werden tierversuchsfreie Arbeiten offensichtlich immer noch stark benachteiligt. Von dieser Erfahrung berichtet auch Prof. Ausserlechner was verdeutlicht, dass hochrangige tierversuchsfreie Forschung – und damit auch die Entwicklung und Anwendung innovativer tierversuchsfreier und ggf. lebensrettender Methoden –, noch immer nicht ausreichend propagiert und tatsächlich sogar blockiert wird. Vor diesem Hintergrund klingen die Aussagen zur aktuellen Unverzichtbarkeit von Tierversuchen, die im Zuge der Verleihung des Preises mehrmals erfolgten, fraglich – aber sie passen irgendwie auch ins Bild.

Forschung im Bereich von Ersatzmethoden zum Tierversuch immer noch zu wenig gefördert und sogar blockiert

Zumindest für Tierschützer:innen sowie für erfolgreich Forschende wie Herr Prof. Ausserlechner und sein Team, die sich ernsthafte Gedanken um das Wohlergehen von Tieren machen, ist eines klar: Im Sinne des Tierschutzes aber auch in Hinblick auf die Qualität der Forschung im Bereich der Entwicklung und Sicherheit medizinischer Behandlungen könnte mit Hilfe von Ersatzmethoden zum Tierversuch weitaus mehr erreicht werden und es werden definitiv nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Ein Versäumnis, das den Menschen erklärt werden sollte, die auf Heilung durch bestmögliche Forschung warten. Hier sind eindeutig nicht mehr nur die Forschenden gefragt, sondern die Regierungen der Länder des Europäischen Wirtschaftsraumes, die zuständigen Ministerien und Institutionen sowie auf EU-Ebene die Europäische Kommission.

Exzellente Forschung und Patient:innensicherheit ohne Tierversuche? Ja das geht, sogar besser!

Die USA machen es uns vor. Durch die Aufhebung der verpflichtenden Testung von Arzneimitteln in Tierversuchen zeigen sie, dass das krampfhafte Festhalten an veralteten Tierversuchen kein zukunftsweisender Weg ist und Tierversuche durchaus verzichtbar sind.5, 6 Dass dieser Verzicht nicht nur möglich ist, sondern Forschung ohne Tierversuche alleine aufgrund der oftmals mangelhaften Übertragbarkeit der Ergebnisse aus Tierversuchen auf den Menschen angezeigt wäre, wird durch zahlreiche wissenschaftlichen Studien belegt.7

Autorin: Dr. Vera Marashi

Literatur

  1. The Principles of Humane Experimental Technique, Methuen, London. Russell, W.M.S. and Burch, R.L. (1959). A digital version of the Principles may be accessed for free on the website of Johns Hopkins University's Center for Alternatives to Animal Testing (CAAT).
  2. 3R:
    Replacement: Ersatz von Tierversuchen (bestenfalls durch tierleidfreie Alternativmethoden zu Tierversuchen)
    Reduction: Verringerung der Anzahl von verwendeten Tieren (z. B. durch eine optimierte statistische Planung) Refinement: Verbesserungen im Rahmen des Tierversuchs zur Verringerung der Belastung der Tiere und zur Vermeidung von Leid (z. B. durch Verbesserungen bei der Unterbringung, Pflege und Zucht von Versuchs-Tieren sowie bei der Durchführung der Prozeduren am Tier)
  3. 3D bioprinted, vascularized neuroblastoma tumor environment in fluidic chip devices for precision medicine drug testing Daniel Nothdurfter, Christian Ploner, Débora C Coraça-Huber, Doris Wilflingseder, Thomas Müller, Martin Hermann, Judith Hagenbuchner, Michael J Ausserlechner, Biofabrication, 2022 Apr 12;14(3).
  4. Die Heilungschancen lassen sich bei einem Neuroblastom für den Einzelfall nur schwer abschätzen. Sowohl das Ausmaß der Erkrankung, als auch die Aggressivität des Tumors und das Alter der Patienten spielen eine Rolle. Gute Heilungsaussichten bestehen beim Stadium 4S sowie in der Regel bei begrenzten Tumoren und bei jüngeren Kindern. Bei älteren Kindern mit metastasiertem Neuroblastom sind die Heilungsaussichten trotz intensiver Therapie noch immer ungünstig.
  5. Neues Gesetz ermöglicht Arzneimittel­zulassung in den USA ohne Tierversuche. Deutscher Ärzteverlag. Januar 2023.
  6. Schluss mit dem Tierleid. Es gibt Alternativen zu Tierversuchen. In den USA müssen deshalb Medikamente nicht mehr an Tieren getestet werden. Die EU will nicht darauf verzichten. Hierzulande werden jährlich hunderttausende Tiere verbraucht. Die ganze Woche. Ausgabe Nr. 10/2023, 07.03.2023.
  7. Poor Translatability of Biomedical Research Using Animals — A Narrative Review Lindsay J. Marshall, Jarrod Bailey, Manuela Cassotta, Kathrin Herrmann and Francesca Pistollato, Alternatives to Laboratory Animals 2023, Vol. 0(0) 1–34 (online ahead of print)

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