Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (09.02.2004)
Wien, am 09.02.2004Skandalurteil: Tierretter schuldig gesprochen
Gericht erklärt Tiere zu Sachen
Heute, den 9. Februar 2004, wurde der VGT-Obmann Dr. Martin Balluch am Bezirksgericht in St. Pölten wegen dauernder Sachentziehung verurteilt, weil er Anfang 2003 insgesamt 7 todkranke Hühner aus einer Legebatterie zur Tierärztin gebracht hatte. Die Hühner waren total entkräftet, hatten große Wunden und keinerlei Federn, und waren von Milben befallen. Eines der Tiere musste sogar von der Tierärztin eingeschläfert werden. Der Betreiber dieser Legebatterie ist aufgrund der diesem Besuch folgenden Anzeige des VGT bereits wegen Übertretung des Tierschutzgesetzes bestraft worden: in den Käfigen waren 6 statt erlaubter 4 Hühner eingepfercht gewesen, viele Hühner waren krank und einige am Verwesen in den Käfigen.
Im März 2003 war der VGT einem anonymen Hinweis nachgegangen, dass in der Legebatterie in Kleinsierning bei St. Pölten das Tierschutzgesetz nicht eingehalten wird. Vor Ort ging Balluch durch eine offene Tür in die Legebatterie und fand den Hinweis voll bestätigt: katastrophale Zustände, verdreckt, illegal überfüllt, tote Tiere in den Käfigen und eine Reihe schwer verletzter, sterbender Tiere. Verschiedene Medien berichteten davon. Balluch brachte 7 der sterbenden Hühner sofort an die tierärztliche Notaufnahme der veterinärmedizinischen Universität in Wien und bezahlte 100 Euro Behandlungskosten. Die Tiere sind heute noch an der dortigen Geflügelklinik.
Der Verteidiger Rechtsanwalt Mag. Stefan Traxler argumentierte, dass Tiere laut Gesetz keine Sachen seien, und allein schon deswegen keine Sachentziehung stattgefunden haben könne. Weiters waren die Hühner in absoluter Lebensgefahr, und daher ein Notfall gegeben. Die Behörde zu informieren hätte keine rechtzeitige Hilfe gebracht, weil die Erfahrung zeigt, dass Behörden auf solche Anzeigen hin gar nicht oder nur sehr zögerlich aktiv werden. Entsprechend sei es übergesetzlicher Notstand gewesen, die Tiere sofort zum Tierarzt zu bringen. Normale Menschen würden ähnlich reagieren – Tiere in absoluter Lebensgefahr hätten Vorrang vor kleinen Gesetzesübertretungen. Im übrigen wären die Tiere sowieso ohne die Hilfemaßnahme gestorben, und damit wäre auch der vom Besitzer angegebene Verlust von 15 Euro in jedem Fall entstanden und deshalb nicht dem Tierschützer anzulasten.
Die Verteidigung beantragte die Einvernahme von 9 ZeugInnen, sowie die Vorführung des Videos von der Legebatterie und das Beischaffen aller Prozessakten in diesem Fall, wie z.B. des Prozesses der Bezirkshauptmannschaft gegen den Legebatteriebetreiber. Die Richterin lehnte alle diese Beweisanträge ab und verurteilte Balluch im Schnellverfahren. Die Verhandlung war von vornherein nur auf 30 Minuten anberaumt. Als Begründung führte sie an, dass sie erstens im Video keine verletzten Tiere gesehen hätte, zweitens Tiere eben doch Sachen wären und dass drittens die Behörde nach der Veröffentlichung der Zustände in der Legebatterie aktiv geworden wäre, und damit gezeigt wäre, dass eine Anzeige die Hühner gerettet hätte. Der Anwalt der Legebatteriebetreiber hatte in seinem Plädoyer behauptet, Legebatterien wären die beste Haltungsform für Legehühner, besser als Freiland- und Bodenhaltung, und Balluch hätte die Öffentlichkeit manipuliert und gezeigt, dass ihm Tiere egal seien.
Die Verteidigung hat berufen, das Urteil ist somit nicht rechtskräftig.