Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (08.01.2007)
Wien, am 08.01.2007Die Werbung als Spiegel des gesellschaftlichen Bewusstseins
MQ-Man von jagdlicher Unkultur gequält
Weihnachtsgans und Weihnachtskarpfen bangen um ihr Leben
Welche Themen in der Werbung aufgegriffen werden, wird natürlich auch davon bestimmt, womit sich die Gesellschaft im Augenblick auseinandersetzt. Die Symbolik, der Humor, die Motive und Themen, all das steht in Bezug zur aktuellen gesellschaftlichen Weltsicht, wird von ihr beeinflusst und kann nur in Kenntnis derselben wirklich verstanden werden. Die Werbung ist bis zu einem gewissen Grad ein Spiegel des gesellschaftlichen Bewusstseins.
Zwei Sujets, die hier diskutiert werden, sind in letzter Zeit durch ihren ungewöhnlichen Tierbezug aufgefallen.
Gans und Karpfen bangen um ihr Leben
Immer wieder arbeiten Werbeplakate mit Tiermotiven. Das ist nichts Ungewöhnliches. Meist wird das Tier dabei allerdings nicht als Subjekt portraitiert - also als Lebewesen dessen Erlebniswelt und Schicksal thematisiert werden - sondern es wird als Objekt instumentalisiert, und zwar meist um Qualitäten wie "lieb", "süß", "geschmeidig", "elegant", "treuherzig", etc. mit dem jeweils beworbenen Produkt zu verbinden.
Die vorweihnachtliche Plakatkampagne des Radiosenders Ö3 fällt in dieser Hinsicht aus der Reihe. Eine Gans und ein Karpfen - zwei Individuen stellvertretend für zwei Tierarten die traditionell zu Weihnachten in großer Zahl getötet werden - richten sich jeweils mit einem Appell an die BetrachterInnen. Offenbar um das eigene Leben und das ihrer ArtgenossInnen zu schützen, bitten sie darum beim diesjährigen Weihnachtsmahl ein Individuum der jeweils anderen Tierart zu verzehren. So ist die Botschaft der Gans "Heuer bitte Karpfen!" und die des Karpfens "Heuer bitte Gans!".
Die Wirkung dieser Plakate mag von BetrachterIn zu BetrachterIn unterschiedlich sein. Eine für das Tierleid sensibiliserte Person, die über die Grausamkeit in der Tierproduktion informiert ist, könnte die Plakate als Verhöhnung auffassen, weil hier aus einem sehr ernsten Hintergrund - nämlich der grausamen Behandlung und Tötung von Tieren - ein Scherz gebastelt wird. Also ein Witz auf Kosten der Würde der betroffenen Tiere.
Für eine andere Person könnten die Plakate eine Mitleid erregende Botschaft haben. Die eindringlich an die BetrachterInnen gerichteten Bitten könnten der Person mahnend bewusst machen, dass es sich bei dem Festessen auf ihrem Teller um Tiere gehandelt hat. Also um Lebewesen mit einer eigenen Persönlichkeit, eigenen Wünschen, Vorstellungen und Gefühlen, die alles andere als sterben wollten.
Für die dritte Personengruppe, und diese wird wohl die Mehrzahl der Menschen bilden, stellt diese Plakatdoublette einfach einen gelungenen Scherz dar. Dabei steht im Vordergrund, dass den betroffenen Tieren ein Einblick in menschliche Gebräuche aber auch in ihr zukünftiges Schicksal unterstellt wird, ebenso wie eine Art machiavellistischen politischen Denkens. Jedenfalls Fähigkeiten die man mit diesen Tiere gemeinhin nicht verbinden würde, was die Plakate komisch erscheinen lässt.
Wie auch immer: Selbst wenn es für viele unbewusst geschieht, so setzt sich diese Plakatkampagne doch auf ihre Art mit der Tatsache auseinander, dass in unserer Gesellschaft Tiere gegen ihren Willen getötet werden. Hinter jedem Witz steckt auch eine gewisse Wahrheit.
MQ-Man erleidet Qualen unter jagdlicher Unkultur
Die Werbeverantwortlichen des MuseumsQuartiers suchten offenbar nach dem stärksten Kontrast. Und was könnte zu einem progressivem, coolen, weltoffenen und zukunftsorientierten Kunstbegriff (für den MQ-Man steht) in einem stärkeren Kontrast stehen, als verstaubte, hinterwäldlerische, jagdliche Unkultur.
Auf dem Sujet des MuseumsQuartier ist MQ-Man zu sehen, der unermüdliche kulturelle Vorkämpfer für das Gute. Er wurde offenbar von bösartigen Kunstbanausen überwältigt und ist in sadistischer Absicht an einen Sessel gefesselt und in ein "Jagdwinkerl" gestellt worden. Von der gutbürgerlich tapezierten Wand prangen Jagdtrophäen. Vom Plattenspieler erklingt qualverschärfende Jagdmusik "German Hunting Songs".
Was könnte einem Kulturmenschen wie MQ-Man schlimmeres passieren, als der Unkultur der Jagd ausgesetzt zu werden?
Was wohl PromijägerInnen wie Monika Lindner (Ex-ORF-Chefin) oder Christian Konrad (Raiffeisenchef) beim Anblick eines derartigen Sujets denken?