Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (19.06.2007)
Wien, am 19.06.20073. Veranstaltung der Diskussionsreihe "Tierschutz in der Politik": Sachwaltschaftsprozess für Schimpansen Hiasl
Die Frage nach dem Personenstatus von nichtmenschlichen Menschenaffen wurde von ExpertInnen an der Universität Wien diskutiert
Das Institut für Ethik und Wissenschaft an der Fakultät für Philosophie der Universität Wien lud am 15. Juni 2007 in den Hörsaal 1 des Neuen Institutsgebäudes in der Universitätsstrasse zur Diskussion ein.
Anlass war der Sachwaltschaftsprozess, der vom VGT im Februar 2007 für den Schimpansen Hiasl am Bezirksgericht Mödling begonnen worden war.
Dieser Prozess, der vor allem international ein gewaltiges Medienecho hatte, stellt die Frage nach dem Personenstatus für Schimpansen. Nur Personen können nämlich SachwalterInnen zugeteilt bekommen, und deswegen konzentriert sich bei diesem Prozess alles um die Frage der Personalität von SchimpansInnen. 120 ZuhörerInnen kamen in den Hörsaal, um diese Frage zu diskutieren.
Mag. Erwin Lengauer, ein Forschungsassistent des einladenden Instituts für Ethik und Wissenschaft, moderierte die Veranstaltung. In seiner Einleitung stellte er klar, dass die allgemeine Theorie von Rechten den Rechtsbegriff nicht nur auf Menschen einschränkt. Im Prinzip können auch nichtmenschliche Tiere Rechte haben, dagegen spricht jedenfalls nichts vom rechtstheoretischen Standpunkt aus, sondern es müssten unabhängig Argumente für und wider gefunden werden.
Als erste Expertin präsentierte die Primatologin der Universität Zürich und Sprecherin des Jane Goodall Instituts Austria, Dr. Signe Preuschoft, die naturwissenschaftlich-biologischen Argumente.
Alle wesentlichen Charakteristika, die sich für Personen angeben lassen, würden sich auch bei nichtmenschlichen Menschenaffen finden, auch wenn der Personenbegriff nach dem Menschen modelliert sei. So zeigen SchimpansInnen die Fähigkeit nicht nur Emotionen, sondern auch kognitive Bewusstseinszustände in anderen Individuen zu erkennen und entsprechend, z.B. durch Täuschung, zu handeln. Dr. Preuschoft betonte auch, dass es biologisch gesehen keine höher und weniger hoch entwickelten Tiere gäbe und dass der Mensch nicht als höchstentwickeltes Wesen und Krone der Evolution zu bezeichnen wäre.
Im Anschluss sprach Mag. Eberhart Theuer, begleitender Rechtsexperte des Sachwaltschaftsprozesses und Spezialist für Menschenrechtsfälle.
Gerade aus seiner Erfahrung als Menschenrechts-Rechtsexperte, betonte Mag. Theuer, wurde er zur Überzeugung geführt, dass innerhalb des heute gültigen Rechtssystems SchimpansInnen als Personen zu betrachten wären. Einerseits deshalb, weil das Gesetz allen biologischen Menschen den Personenstatus zusprechen würde, aber der biologische Menschbegriff ein Gattungsbegriff wäre, unter den SchimpansInnen auch fielen. Und zweitens, begründete Mag. Theuer seine Überzeugung, das Gesetz sehr klar zwischen Mensch und Person unterschiede und alle Menschen zwar als Personen, aber nicht alle Personen als Menschen deklariere. Vielmehr würde der Personenbegriff, der in der Aufklärung seine heute nach dem Gesetz gültige Ausformung erhalten habe, so zu verstehen sein, dass alle Wesen, die Personalität in anderen Wesen erkennen, auch als Personen zu bezeichnen wären. Jedenfalls gäbe es in der Fachliteratur bisher keine nähere Diskussion über die juridische Definition von Mensch und Person. Aber nach bester Interpretation fielen SchimpansInnen unter beide.
Zuletzt sprach VGT-Obmann DDr. Martin Balluch als Antragsteller im Sachwaltschaftsprozess für den Schimpansen Hiasl.
Zunächst rekapitulierte der die Lebensgeschichte von Hiasl und erzählte, wie es zum Prozess kam. Dann erläuterte er seine Sicht der politischen Dimension dieses Prozesses. Nur als Person könne Hiasl überhaupt im Prinzip Gerechtigkeit widerfahren. Erst als Person wäre er als Wesen mit Interessen vor Gericht anerkannt und könnten diese in Betracht gezogen werden.
In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass praktisch alle Anwesenden im Prinzip mit den Vortragenden übereinstimmten. Es wurde auch betont, dass es sich als unmöglich herausgestellt hatte, GegnerInnen des Personenstatus von SchimpansInnen zur Diskussion einzuladen. Offenbar gäbe es nur 2 Arten von Standpunkten zu der Frage: Diejenigen, die offen für Argumente sind, erkennen auch deren rationale Überzeugungskraft. Die anderen, die sich gegen die These vom Personenstatus von SchimpansInnen auftreten, wollen sich aber den Argumenten auch nicht stellen. Für sie ist die Sonderstellung des Menschen als einzige Person ein fundamentales Dogma – mit christlichem Hintergrund – das einfach grundsätzlich nicht zu hinterfragen sei. Natürlich ist es schwierig unter diesen Bedingungen eine offene Diskussion in der Gesellschaft zu führen, wenn nur die BefürworterInnen des Personenstatus eine Bereitschaft zum Gespräch zeigen.