Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (12.05.2010)
Wien, am 12.05.2010Tagung der Plattform "Österreichischer TierärztInnen für Tierschutz"
Anspruch – Verantwortung – Realität
Das war der Titel der 1. Tagung der Plattform „Österreichischer TierärztInnen für Tierschutz“, die am 6. Mai 2010 im Festsaal der Veterinärmedizinischen Universität Wien stattgefunden hat. Die Veranstaltung war mit mehr als 100 Gästen sehr gut besucht.
Der Rektor der Veterinärmedizinischen Universität Wien, W.-D. von Fircks sprach die Begrüßungsworte
Er meinte, dass Tierschutz die Grundlage sein sollte und dass Tierschutz die beste Präventivmedizin ist. Aber es gibt noch immer eine Herausforderung, da es nötig ist, dass Menschen aus verschiedenen Disziplinen (Veterinärmedizin, Biologie, Rechtswissenschaften, Philosophie, usw.) zusammenarbeiten. Die Herausforderung bestehe auch darin, die wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Praxis, in den Alltag umzusetzen.
Nach den einleitenden Worten wurde von Prof. Dr. R. Winkelmayer die Plattform „Österreichische TierärztInnen für Tierschutz“ vorgestellt
Er meinte, dass Tierschutz in den letzten Jahrzehnten zu einer gewaltigen gesellschaftspolitischen Bewegung geworden ist und dass es wichtig ist, dieses Thema zu professionalisieren, deshalb sollten Fachleute, die sich mit diesem Thema (haupt-)beruflich auseinandersetzen, ihre Kräfte bündeln, so sind TierärztInnen besonders berufen, meint er. Deshalb wurde auch die Plattform ins Leben gerufen, die sich aus drei tierärztlichen Organisationen zusammensetzt, der Vereinigung Österreichischer Kleintiermediziner (VÖK), der Sektion Tierhaltung und Tierschutz der Österreichischen Gesellschaft der Tierärzte (ÖGT) und dem Österreichischen Verband der Amtstierärztinnen und Amtstierärzten. Ziel soll sein, sich im gesamten deutschsprachigen Raum zusammenzuschließen und mit der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse den Tierschutz weiterzuentwickeln.
Interessant war, dass der Sprecher der Plattform auch meinte, dass die Sonderstellung des Menschen aus evolutionsbiologischer Sicht Illusion ist, und auch wenn das Umdenken unbequem und mühsam erscheint, es niemanden erspart bleibt, der ernsthaft mitdiskutieren möchte.
Danach wurde von Univ. Prof. Dr. T. Blaha die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz aus Deutschland und von Univ. Prof. Dr. A. Steiger die Internationale Gesellschaft für Nutztierhaltung aus der Schweiz vorgestellt. Beides sind Vereinigungen, die auf wissenschaftlicher Grundlage den Tierschutz fördern möchten.
Die weitere Tagung wurde in drei Blöcke unterteilt.
Thema des 1. Blocks: Über den Wert von Tieren
Dazu sprachen Univ. Prof. Dr. P. Kampits vom Institut für Philosophie der Universität Wien und Univ. Prof. Dr. H. Würbel von der Universität Giessen, Deutschland.
Im Vortrag von Univ. Prof. Dr. P. Kampits ging es über die Grundfragen der Tierethik
Er meinte,
dass die Tierethik eine sehr junge Disziplin
ist,
obwohl natürlich auch schon bei den Griechen
über die Form der Seele diskutiert wurde
und auch in der Bibel gewisse Tierschutzvorschriften
stehen, aber hier ging man immer von der
Sonderstellung
des Menschen aus. Diese Orientierung hielt
sich bis in die Neuzeit. Univ. Prof. Dr.
P. Kampits sprach auch über die Mitleidstheorie
von Schopenhauer und von Kant, der Tiere
als
reine Automatismen sah.
Man wollte lange Zeit Tiere aus der Ethik
heraushalten. Die Werke „Animal Liberation“
von Peter Singer
und „ The Case for Animal Rights“ von Tom
Regan waren Meilensteine in der Entwicklung
der Tierethik.
Somit gilt es auf die Frage, inwieweit Tiere
Rechte besitzen, einzugehen und von da aus
die Probleme des Tierschutzes zu untersuchen.
Univ. Prof. Dr. H. Würbel sprach über Kognition und Emotion bei Tieren
und meinte,
dass diese Begriffe in der Debatte um unsere
Haltung zu Tieren
(Tierethik) als auch für die biologische
Beurteilung des Wohlbefindens von Tieren (Tierschutz)
sehr
wichtig sind.
Als Beispiel für die Relevanz dieser Begriffe
nannte er das Great Ape Project, bei dem
Menschenaffen wegen ihrer Sonderstellung
durch ihre kognitiven
Fähigkeiten personale Rechte bekommen sollen.
Wichtig für den Personenbegriff sind Fähigkeiten
wie Vernunft, Reflexion, Selbsterkennung,
zeitlicher und örtlicher Bezug. Univ. Prof.
Dr. H. Würbel
brachte Beispiele von nichtmenschlichen Tieren,
die solche kognitiven Fähigkeiten besitzen.
Hunde können logisch denken. Beim Fastmapping
geht es darum, dass man einem Tier (in diesem
Fall einem Hund) Gegenstände lernen und erkennen
lässt. Wenn man dann nach einem Gegenstand
fragt, den der Hund nicht kennt und den er
auch nicht zu einem Namen zuordnen kann,
sucht der Hund durch das Ausschlussprinzip
den gesuchten
Gegenstand heraus.
Bei der Reflexion geht es um das Bewusstsein
über das Wissen von anderen. Hier gab es
ein Experiment mit Schweinen, bei dem ein
Schwein
zeigte, dass es zur Reflexion fähig ist.
Nicht nur Schimpansen können sich beim berühmten
Spiegeltest selbst erkennen, auch Elstern
sind z.B. dazu fähig. Eichelhäher haben ein
episodisches
Gedächtnis, sie haben einen Zeit und Ortsbezug.
Das Wohlbefinden ist abhängig von exogenen
Faktoren (Stressoren) und endogenen Faktoren
(Bewältigungsmechanismen) Es stellt sich
jetzt die Frage, ob Tiere, die zu höheren
kognitiven
Leistungen fähig sind, ihr Leben besser bewältigen
können, oder ob es genau umgekehrt ist. Dies
ist eine empirische Frage, die noch nicht
wirklich angegangen wurde. Problem ist hierbei,
dass
es sich um subjektive Empfindungen handelt,
die nicht messbar aber sehr wichtig für die
Weiterentwicklung im Tierschutz sind. Deshalb
gibt es Versuche diese subjektiven Empfindungen
messbar zu machen. So konnten Schmerzen bei
Fischen erkannt werden, da Neuronen genauso
reagieren wie bei Menschen und da auch Veränderungen
im Verhalten festgestellt wurden, das bei
Verabreichung von Schmerzmitteln nicht mehr
gezeigt wurde.
Weiters ist es wichtig herauszufinden, welche Ressourcen wichtig für Tiere sind, also müssen ihre Bedürfnisse quantifiziert werden. Es wurde ein Versuch mit Muttersauen vorgestellt. Mutterschweine haben vor der Geburt das Bedürfnis ein Nest zu bauen, jetzt stellt sich die Frage, wie wichtig ist das für die Tiere. Also bekam ein Mutterschwein Zugang zu Futter und zu Stroh, danach wurden die Türen zu den 2 verschiedenen Ressourcen verschlossen und die Muttersauen müssten durch Knopfdruck die Türen öffnen. Um zu den Ressourcen zu kommen, mussten sie im Verlauf des Versuchs immer öfter die Knöpfe drücken um zu Futter und Stroh zu kommen. Hier zeigte sich, dass Futter bei weitem wichtiger ist als Stroh, ABER 24 Stunden vor der Geburt ist Stroh genau so wichtig für die Mutter wie Nahrung.
Wichtig ist auch die Grundeinstellung von Tieren (Das Glas ist halb voll oder halb leer?) auch dies hat einen Einfluss auf das Wohlbefinden von Tieren.
Der zweite Block: Tierschutz und Recht
DDr. R. Binder hielt einen Vortrag zum Thema „Fünf Jahre Tierschutzgesetz – eine Bestandsaufnahme“
Sie sprach
über die Verbesserungen, die wir in Österreich
durch das bundeseinheitliche
Tierschutzgesetz bewirkt haben, aber auch
über die Verschlechterungen in den letzten
Jahren.
Im Jahr 2005 hatte Österreich mit dem neuen
Gesetz eine Vorreiterrolle inne, aber dies
war nur zum Teil gerechtfertigt, da es z.B.:
unzulängliche Mindestanforderungen im Bereich
der Schweine und Rinder gibt. Mit dem BTSG
gab es folgende Fortschritte: Verbot der
Haltung von Pelztieren zur Pelzgewinnung, Verbot
von
Wildtieren im Zirkus, Legehennenhaltung,
Verbot der Anbindehaltung von Pferden, Hunden
und
Wildtieren, Prüfverfahren für Stalleinrichtungen,
Tierschutzombudsschaften und Tierschutzrat.
Die Entwicklung des Gesetzes seit 2005 ist
aber ein Schritt vor und zwei Schritte zurück.
Im Jahr 2008 gab es Fortschritte wie ein
Verbot des Inverkehrbringens bestimmter Dressurgeräte,
Verbot des Feilbietens von Tieren an öffentlichen
Plätzen, genauere Definition von Qualzuchten,
Ausstellungsverbot von Qualzuchten und der
Geltungsbereich des Gesetzes umfasst nun
auch
die Ausbildung von Jagdgebrauchshunden.
Aber leider gab es auch viele Rückschritte
wie z.B: der Entfall, dass Hunde und Katzen
in der Zoohandlung ausgestellt und verkauft
werden dürfen, Aggressionszüchtung, Chipppflicht
für Katzen. Im Moment gibt es einen Novellierungsentwurf,
der bestimmen soll, dass alle „Maßen und
Werte“ der 1. Tierhaltungsverordnung um 10
% unterschritten
werden dürfen. In einer Selbstevaluierung
sollen die LandwirtInnen bestimmen, ob in
ihrem Fall
die vorgegebenen Werte unterschritten werden
dürfen. Erforderliche Bestimmungen über eine
Meldepflicht sind sehr unbestimmt verfasst.
Die Inanspruchnahme der 10 % Regelung ist
an nicht klar überprüfbaren Bestimmungen
geknüpft.
Die Tiere dürfen nicht in ihrem Wohlbefinden
beeinträchtigt werden. Das Wohlbefinden setzt
allerdings voraus, dass die Tiere die Möglichkeit
haben ihre arttypischen Verhaltensweisen
auszuleben. Das ist aber unter den Bedingungen
der 1. Tierhaltungsverordnung
jetzt schon in keinster Weise gegeben.
Sehr kritisch zu beleuchten sei des weiteren,
wenn diesem Novellierungsantrag tatsächlich
stattgegeben wird, wird sogar das Schutzniveau
der ehemaligen Landesgesetzgebung unterschreiten!
Als weitere
Verschlechterung zeigt DDr. R. Binder, dass
es bei den Eingriffen keine Diskussion mehr
gibt, so dürfen z.B.: Kitze wieder enthornt
werden, obwohl es Alternativen gibt und obwohl
sogar der Europarat sagt, dass man Abstand
davon halten sollte. Das Tiertipping (Streunerkatzen,
die eingefangen wurden um kastriert zu werden,
wird ein Stück des Ohrs abgeschnitten, um sie
wieder zu erkennen und vor unnötigen Qualen
des Wiedereinfangens zu schützen) ist jetzt
nicht mehr erlaubt, obwohl es sinnvoll wäre.
Das Umsetzen wissenschaftlicher Erkenntnisse
bleibt weitestgehend unberücksichtigt. Der
Tierschutzrat, der eine zentrale Rolle bei
der Rechtsentwicklung haben soll, konnte diese
Rolle nicht wahrnehmen. Die Empfehlungen des
Tierschutzrates wurden meistens missachtet.
DDr. R. Binder sieht es auch als großes Problem, dass über Entwicklungen im Tierschutz nicht mehr auf breiter Basis diskutiert wird und meint, dass es einen umfassenden Novellierungsbedarf gibt.
Der nächste Vortragende in diesem Block war DDr. H. Herbrüggen, Amtstierarzt der BH Wien Umgebung und Jurist. Er sprach über: Vollziehung des Tierschutzrechts: Erwartungen – Probleme – Lösungen
Der wichtigste
Grundsatz über die Durchsetzung aller Normen
und somit auch jener des Tierschutzrechts steht
in der Verfassung: „Die gesamte staatliche
Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt
werden.“
So meinte der Amtstierarzt, dass jede Abweichung
davon rechtswidrig sei und somit alle gesetzten
Maßnahmen rückgängig gemacht werden müssen.
Obwohl oft Menschen gerne hätten, dass eine
Person ein Tierhaltungsverbot bekommen soll,
sind einem Amtstierarzt oder einer Amtstierärztin
die Hände gebunden, da für ein Tierhaltungsverbot
der Tierhalter wegen Tierquälerei mindestens
einmal gerichtlich oder zweimal von einer Verwaltungsbehörde
rechtskräftig verurteilt sein muss. DDr. H.
Herbrüggen sprach über die Mittel zur Durchsetzung
von Tierschutznormen, wie z.B.: Förderungen,
Genehmigungspflicht, normierte Gebote und Verbote,
Verbesserungsaufträge, Sofortmaßnahmen usw.
Zur Kontrollhäufigkeit meinte er, dass diese
gesetzlich vorgeschrieben sind. So müssen bewilligungspflichtige
Tierhaltungen und Tierversuchseinrichtungen
mindestens einmal jährlich überprüft werden,
landwirtschaftliche Betriebe hingegen im Durchschnitt
nur alle 50 Jahre. Die Unterbringung und Pflege
der Heimtiere muss ohne Anlass überhaupt nicht
überprüft werden.
Als nächster Redner kam Mag. U. Herzog und referierte über die Zukunftsperspektiven des Tierschutzgesetztes aus sicht des Bundesministeriums für Gesundheit
Mag. U. Herzog sprach über das Problem des Vollzugs, der ja Landessache ist. Er meinte, dass es wichtig ist den Vollzug zu vereinheitlichen. Das Projekt des BMG „Tierschutz macht Schule“ wurde sehr gepriesen. Für Mag. U. Herzog sind sogenannte Qualitätsprogramme am besten geeignet Verbesserungen im Tierschutz zu erreichen, da diese auch staatlich gefördert werden. Jegliche Veränderung im Tierschutz unterliegt einer Abwägung der verschiedenen Interessensvertretungen und nur wettbewerbsfähige Änderungen sind laut Mag. U. Herzog machbar.
Nach der Mittagspause, in der ausschließlich vegetarische Speisen angeboten wurden, kam der dritte Block: Tierärztlicher Tierschutz.
Hier sprachen Univ. Prof. Dr. J. Troxler über die Rolle des Tierarztes im Tierschutz, Dr. E. Fellinger über Tierschutzrelevante Aspekte in der Kleintierpraxis und
Dr. J. Baumgartner über Tierärztliche Überlegungen zur Ferkelkastration
Früher wurden männliche Ferkel kastriert, um sie haltbar zu machen, da Kastraten weniger aggressiv sind und einen höheren Fettanteil haben. Heutzutage ist der Grund für diesen Eingriff der Ebergeruch. So werden jährlich mehr als 100 Mio. männliche Ferkel in der EU chirurgisch kastriert. Nicht alle Menschen können den sogenannten Ebergeruch wahrnehmen, es gibt enorme individuelle Unterschiede bei Menschen. So reagieren Frauen stärker als Männer und EngländerInnen ist der Geruch mehr egal als AsiatInnen.
In Österreich ist es erlaubt männliche Ferkel bis zum 7. Lebenstag ohne Narkose, ohne Schmerzmittel und ohne Nachbehandlung zu kastrieren. Der Eingriff darf von LandwirtInnen selbst durchgeführt werden. Eine EU- Regelung ist hier Grundlage für die österreichische Gesetzgebung. Die Kastration ist schmerzhaft, nicht nur während der Kastration an sich entstehen furchtbare Schmerzen sondern auch nach dem Eingriff haben die Tiere heftige akute und lang anhaltende postoperative Schmerzen.
In der Diskussion um die Zukunft der Ferkelkastration haben sich laut Dr. J. Baumgartner grundsätzlich zwei Alternativszenarien herauskristallisiert: Einerseits könnten männliche Ferkel weiterhin chirurgisch kastriert werden, allerdings unter Anwendung von Arzneimitteln zur Schmerzbehandlung (Injektionsnarkose, Inhalationsnarkose, Lokalanästhesie). Die zweite Möglichkeit besteht im gänzlichen Verzicht auf die chirurgische Kastration (Ebermast, Impfung gegen Ebergeruch, Sperma sexing).
Es gibt
mittlerweile viele Studien, die sich mit den
Alternativen auseinandergesetzt haben und Vor-
und Nachteile auflisten. In einigen Ländern
wurde deshalb eine Änderung der herkömmlichen
Handhabung bei der Kastration gesetzt. In den
Niederlanden verwendet Burgerking und McDonalds
kein Fleisch von nicht mit Schmerzausschaltung
kastrierten Schweinen, seit 2009 gilt das auch
für alle Supermärkte und ab 2015 soll gänzlich
auf die Kastration verzichtet werden. In Deutschland
schlachtet ein großer Fleischerzeuger nur noch
Tiere aus der Ebermast. In der Schweiz ist
seit Anfang 2010 die Kastration ohne Anästhesie
verboten, in Norwegen ist der Eingriff seit
2002 nur mit Anästhesie durch den Tierarzt
/die Tierärztin erlaubt. In der Bioproduktion,
somit auch in Österreich, darf ab 2012 keine
Kastration ohne Betäubung und schmerzstillende
Mittel durchgeführt werden. Bio Austria schreibt
ab Oktober 2010 eine Schmerzbehandlung vor.
Allgemein kritisiert Dr. J. Baumgartner, dass
der tierärztliche Beitrag zur Diskussion über
die Ferkelkastration sehr bescheiden ist und
es aber eine Pflicht der TieräztInnen ist,
sich hier besser einzubringen, denn man darf
die Entscheidung nicht auf die diesbezüglich
überforderten KonsumentInnen abwälzen.