Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (26.11.2010)
Wien, am 26.11.2010Nur mehr 3200 Tiger weltweit: Schutzzonen beschlossen
Auch in Österreich viele Tiere von Wilderei bedroht
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Jagd nach Trophäen und Rohstoffen für die Herstellung von Tigerprodukten fast zum Aussterben der Tiger geführt. Zur Rettung der letzten freilebenden Großkatzen dieser seltenen Spezies haben Russland und China jetzt gemeinsame grenzüberschreitende Schutzzonen für die Tiere beschlossen. Das teilte Russlands Regierungschef Wladimir Putin nach einem Treffen mit seinem chinesischen Kollegen Wen Jiabao mit. Der russischen Regierungschef kündigte auch härtere Strafen für Wilderer und Schmuggler an. Derzeit leben in 13 Staaten noch insgesamt rund 3200 Tiger in freier Wildbahn – eine äußerst beunruhigende Gesamtzahl, die bei Tier-, Natur- und Artenschützern die Alarmglocken schrillen lässt.
Bei dem „Tigergipfel“ trafen sich zum ersten Mal Regierungschefs zu einer internationalen Konferenz, um über das Schicksal nur einer einzigen Tierart zu sprechen, was von ArtenschutzexpertInnen als "historischer Moment" für die weltweiten Naturschutzbemühungen bewertet wurde.
Ohne ein Abkommen der von den Großkatzen bewohnten Länder, welches dann auch wirklich in der Realität umgesetzt wird, könnten die Tiger bis 2020 nur mehr in Zoos, Tierparks, Zuchtanstalten, ausgestopft in Museen oder in Naturgeschichtslehrbüchern zu bewundern sein.
Anlässlich des Tigerschutzgipfel-Auftakts wurde vom World Wildlife Fund (WWF) und dem Artenschutzprogramm TRAFFIC ein Undercover-Report zum illegalen Handel mit Produkten aus Tigern und anderen asiatischen Großkatzenarten veröffentlicht, der eindrucksvoll den offenen Handel mit Tigerprodukten dokumentiert. Demnach stellen vor allem die Märkte in der Grenzregion zwischen Myanmar, China und Thailand eine Drehscheibe des internationalen Arten-Schmuggels im Allgemeinen und des Tiger(produkte)schmuggels im Besonderen dar. Wie Filmaufnahmen beweisen, werden auf Schwarzmärkten diverse Teile von Tigern offen feilgeboten, scheinbar ohne Angst vor gesetzlichen oder polizeilichen Konsequenzen.
Unterdessen kommt es auch in Österreich immer öfter zu Fällen von Wilderei
2009 gab es 507 Anzeigen deswegen, eine Steigerung von fast 35 Prozent und damit eine wirklich alarmierend steigende Tendenz – dies ergab die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage betreffend „Wilderei in Österreich 2009“, die der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Johann Maier einbrachte. Demnach gab es im Vorjahr um 131 Strafanzeigen mehr bei den Staatsanwaltschaften wegen „Eingriffs in fremdes Jagd- oder Fischereirecht“ als 2008. Die Dunkelziffer soll noch weit höher sein. Schätzungen zufolge kommt fast jeder zweite Wilderer aus dem Ausland.
Die Methoden der Wilderer haben sich gegenüber den rußgeschwärzten Wildschützen vergangener Zeiten gewandelt. Sie fahren in der Nacht mit dem Auto in den Wald, blenden das Wild, damit es stehen bleibt und ballern dann – ständig in der Furcht vor dem Entdecktwerden - drauflos. Oft auch mit Kleinkaliber- und Luftdruckgewehr – was zu noch mehr angeschossen dahinsiechenden und letztlich elend zu Grunde gehenden Tieren führt. Um nicht aufzufallen sind derzeit auch zahlreiche Wilderer als Mountainbiker in Österreichs Wäldern unterwegs.
Die gesetzliche Situation liegt klar zu Tage: Wer unter Verletzung fremden Jagd- und Fischereirechts dem Wild nachstellt, fischt, Wild oder Fische tötet oder verletzt, ist – theoretisch - mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder mit einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Übersteigt der angerichtete Schaden 3000 €, oder wird in der Schonzeit oder mit Schusswaffen, Fangeisen, Schlingen, elektrischen Fanganlagen oder Giftködern gewildert, beträgt der Strafrahmen bis zu drei Jahre. Bei dieser Kategorie der schweren Wilderei geht die Aufklärungsquote allerdings gegen null.
In den Jahren 2000 bis 2009 gab es insgesamt 357 Gerichtsverfahren mit 120 rechtskräftigen Verurteilungen nach den entsprechenden Wilderei-Paragraphen des Strafgesetzbuches (§§ 137 bis 140). In der Regel werden Geldstrafen verhängt, in wenigen Fällen bedingte Freiheitsstrafen. Eine unbedingte Verurteilung wurde innerhalb dieser Periode allerdings nie ausgesprochen.
Zur Zeit steht gerade ein Kärntner vor Gericht, der der mutmaßliche Täter hinter einem spektakulären Fall aus dem Vorjahr sein soll. Die Bilder sind noch in lebhafter Erinnerung, der Vorfall fand in den Medien breite Beachtung: Im Juni 2009 wurde ein Braunbär namens Roznik in Slowenien gehäutet ohne Kopf und Tatzen aufgefunden. Seit Oktober steht in Klagenfurt der 47jährige Vellacher Anton Sch. vor Gericht. Der Jäger behauptet seine Unschuld, ihm drohen im Fall einer Verurteilung – zumindest wenn es nach dem Gesetz geht - bis zu drei Jahre Haft. Zuletzt wurde der Prozess vertagt.
Unterdessen treibt auch im niederösterreichischen Bezirk Lilienfeld ein Wilderer sein Unwesen. Bei Türnitz ist der Körper eines Hirsches gefunden worden, dem das Haupt fachmännisch abgetrennt wurde. Es ist der achte Fall in einer Serie gleichartiger Vorfälle, wo der wirre Wildschütz es offensichtlich nur auf den Kopf als Trophäe abgesehen hat. Den Kadaver einfach liegen zu lassen, gilt auch unter Jägern als „nicht waidmännisch“.
Die Debatte und die weitverbreitete Empörung über die Wilderei darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade die für die Wildtiere ärgsten Folgen, nämlich das so häufige „Nur-angeschossen-Werden“ und das qualvolle Verenden in der Folge durch die normale, gesetzeskonforme Jagd ebenso gegeben sind.
Erst vor kurzem konnte eine Jagd im Lainzer Tiergarten filmisch dokumentiert werden – das ganze ungeschminkte Grauen der Jägerei kam dabei zum Ausdruck, wie sie sich fast überall in unseren österreichischen Wäldern sogar bis hinein nach Wien abspielt. Tiere wie Wildschweine oder Mufflons, die von schießwütigen SonntagsschützInnen, die viel Geld für das Recht zur Tötung hinblättern, angeschossen werden, mit heraushängenden Gedärmen die Flucht ergreifen um dann irgendwo im Wald still und unbemerkt und oft erst nach vielen Tagen des stummen Leidens qualvoll zu sterben.
Aktuelle Bilder von der Realität der Jagd mitten in Wien unter http://vgt.at/presse/news/2010/news20101108m_2.php