Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (27.04.2011)
Wien, am 27.04.2011NPOs sollen offen legen müssen, wer wofür gespendet hat
Kritik an geplanter Erfassung der Sozialversicherungs-Nummer von SpenderInnen
Der aktuelle Entwurf zum Abgabenänderungsgesetz 2011 sieht vor, dass Organisationen, die beim Finanzministerium in der Liste der spendenbegünstigten Einrichtungen eingetragen sind, zukünftig die Sozialversicherungsnummer (SV-Nummer) ihrer SpenderInnen abfragen müssen. Jeweils zu Jahresende soll die SV-Nummer gemeinsam mit der Spendensumme der jeweiligen Person an das Finanzministerium bekannt gegeben werden müssen.
Kritik von NPOs
Dieses Vorhaben wird von den Non-Profit-Organisationen (NPOs) scharf kritisiert.
Erwartet werde einerseits eine starke Verunsicherung der SpenderInnen, da
diese nun persönliche Daten (nämlich die SV-Nummer) bekannt geben müssen,
was zu einem Spendenrückgang führen werde. Andererseits wird kritisiert,
dass ein erheblicher und unnötiger Mehraufwand im Verwaltungsbereich der
NPOs entstehe. Der Zusatzaufwand wird vom Verband Fundraising Austria auf
9 Mio. Euro geschätzt. Unnötig sei dieser Mehraufwand deshalb, da es über
die Ausstellung von Spendenbestätigungen an den Spender bzw. die Spenderin
ohnehin jetzt bereits ein bewährtes und funktionierendes System gibt, um
die Höhe der steuerlich abgesetzten Spendensumme kontrollierbar zu machen.
Grundsatz des Datenschutzes verletzt
Zusätzlich löst die zentrale elektronische Verarbeitung der Information, wer für welchen Zweck wieviel gespendet hat, Unbehagen aus. Einer der Grundsätze des Datenschutzes lautet, dass immer nur so viele Daten gesammelt und verarbeitet werden dürfen, wie zur Erfüllung der Aufgabe tatsächlich notwendig sind. Denn Daten können nur dann missbraucht werden, wenn sie vorher gesammelt wurden. Sie nicht zu sammeln ist daher der beste Schutz.
Bei den Daten, die im gegenständlichen Fall nun zentral gesammelt werden sollen, handelt es sich aber auch um sensible Informationen, die zumindest teilweise Rückschlüsse auf politische, religiöse, sexuelle, gesundheitliche und ethische Einstellungen von Personen ermöglichen.
"Es ist unverantwortlich derartige Informationen aus Jux und Tollerei zentral
zu sammeln und über die SV-Nummer individuellen Personen zuordenbar zu machen.
Wozu soll das gut sein, wenn es schon ein funktionierendes System gibt,
das ohne eine derartige Datensammlung auskommt?", fragt Harald Balluch,
Geschäftsführer des VGT. "Und wer kann garantieren, dass diese Informationen
nicht zweckentfremdet werden? Könnte es dann nicht passieren, dass Personen,
die an Menschenrechtsorganisationen gespendet haben, bei Anstellungen im
Justiz- oder Innenressort plötzlich stillschweigend nach hinten gereiht
werden, weil in ihnen unerwünschte kritische Geister gesehen werden? Oder
dass jemand, der an bestimmte Tierschutzorganisationen gespendet hat, bei
der Postenverteilung, die im Verantwortungsbereich einer bestimmten Partei
liegt, übergangen wird?"
Drastisches Beispiel aus den Niederlanden
Ein drastisches Beispiel aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigt, dass auch scheinbar harmlose Datenermittlungen aus hehren Zielen für die betroffenen Personen gefährlich werden können.
In den 1920er und 1930er Jahren wurden in den Niederlanden sehr genaue Meldedaten über die Bevölkerung gesammelt. Das Ziel dieser Erhebung war einen möglichst effizienten Sozialstaat aufbauen zu können. Bei der Novellierung des Melderegisters wurde dabei auch die Erfassung der Religionszugehörigkeit vorgesehen. Eine Datenart die für den angestrebten Zweck eigentlich unnötig war, die aber, da sie nun einmal im Formular aufschien, auch abgefragt und verarbeitet wurde. Als die Nazis die Macht übernahmen, konnten sie nun auf diese zentral verwalteten Angaben zurückgreifen, um aller Menschen jüdischen Glaubens habhaft zu werden. Die ursprünglich harmlose Datensammlung führte dazu, dass in den Niederlanden gemessen an der jüdischen Gesamtbevölkerung verglichen mit allen anderen von den Nazis beherrschten Ländern der höchste Prozentsatz an JüdInnen aufgespürt und getötet wurde.