Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (28.11.2016)
Wien, am 28.11.2016Der aktuelle Fall: Kälbchen-Transporte Steiermark
Verdeckt aufgenommene Videos zeigen den brutalen Umgang mit den Kälbchen bei der Verladung. Der VGT hat zahlreiche Anzeigen eingebracht.
Bergheim, über das der VGT 2014 Informationen veröffentlicht hat, ist nicht der einzige Ort in Österreich, wo Kälber in großer Zahl zusammengesammelt und für den Export vorbereitet werden. In Farrach, nahe Zeltweg, befindet sich eine große Rinderhandelsfirma. Von dort aus starten LKW und Sattelschlepper alle zwei Wochen ihre fixen Routen. Zwischen Schladming, Liezen bis nach Krieglach im Norden, zwischen Tamsweg und Graz im Süden, liegen die Milchwirtschaftsbetriebe. Von dort aus werden die Kälbchen von den BäuerInnen mittels kleinen, oftmals gesetzeswidrigen Tiertransportern an Klein-Sammelstellen geliefert, gewogen und auf große Transporter verladen.
Das Verladen
Die Kälber sind wenige Wochen alt, wenn sie auf Tiertransporter verladen werden. Eigentlich sollten sie die schützende Nähe ihrer Mutter genießen dürfen, doch Mütter und Kinder wurden zuvor brutal getrennt.
Die ängstlichen Tiere wissen nicht, wie Ihnen geschieht. Sie werden an den Stricken, die um den Mund gewickelt sind, herumgezerrt, geschubst und geschoben. Der Schwanz wird ihnen verdreht, damit sie aufgrund des Schmerzes weitergehen. Manchmal werden sie sogar angeschrien und es wird nach ihnen getreten. Sie versuchen zu entkommen, weil sie Angst haben. Doch sie sind zu klein und zu schwach, um sich wehren zu können.
Unfassbar traurige Szenen, wenn man sich vor Augen hält, dass es sich um (Rinder-) Babys handelt!
Von der Steiermark nach Bozen, Ritten
Die Fahrtzeit beträgt für einzelne Kälber meist mehr als 12 Stunden. Bevor sie wieder Milch
bzw. Milchaustauscher
bekommen, werden sie vom Tiertransporter getrieben. Hilflos laufen sie hin- und her, sie wissen nicht, was mit ihnen geschieht. Nach einigen Stunden kommen dann alle auf den Sattelschlepper, um 19 Uhr verlässt er Farrach und fährt Richtung Italien. TierschützerInnen haben bei einer Fahrt beobachtet, dass sogar auf der Strecke noch weitere Tiere zugeladen werden. Ein Beispiel: Verladeort nahe Klagenfurt, auf einem Feldweg, 100 m von der Straße entfernt, in einem Wald.
Lange Transportzeiten
Die Fahrt von Farrach nach Bozen dauert am längsten, auch deshalb, weil der Fahrer mehrere Pausen einlegt. Die Tiere kommen nicht zur Ruhe und schreien vor Stress, Angst, Hunger – und nach ihren Müttern.
Wenige Minuten vor der Sammelstelle in Bozen müssen die Kälber noch einige Stunden ausharren, bevor sie beim nächsten Ziel abgeladen werden, da der Fahrer schläft, und die italienischen Arbeiter ihre Arbeit erst in der Früh aufnehmen. In Bozen, am Ritten
, werden die Tiere wieder mit Milchaustauscher versorgt
. Doch dieser Stopp ist auch nur wenige Stunden lang, von hier wird die Reise wieder einige Stunden mehr dauern, für viele geht sie sogar bis Spanien.
Anzeigen
Nicht nur die zu langen Transportzeiten sind ungesetzlich, sondern auch andere Misshandlungen der Kälber stehen leider an der Tagesordnung.
Der VGT brachte folgende Sachverhalte zur Anzeige:
- Diverse Anzeigen wegen des Ziehens der Tiere mittels um den Hals gebundenen oder an einem Halfter befestigten Stricken, stellenweise so brutal, dass die Tiere dabei zu Fall gebracht wurden. Wobei sich zeigt, dass dies insbesondere beim Aufsammeln der Tiere bevor sie nach Farrach gebracht wurden erfolgte. Dort handelt es sich bei dieser Vorgehensweise nicht um die Ausnahme, sondern um die Regel.
- Diverse Anzeigen wegen des Verdrehens bzw. Quetschens der Schwänze der Tiere, stellenweise so brutal, dass die Tiere dabei zu Fall gebracht wurden. Wobei sich zeigt, dass dies insbesondere im
Nutzviehzentrum Farrach
erfolgte. Dort handelt es sich zumindest bei einigen Mitarbeiter_innen bei dieser Vorgehensweise nicht um die Ausnahme, sondern um die Regel. - Mehrere Anzeigen wegen des Schlagens und/oder Tretens der Tiere, in einem Fall mittels der spitzen Kante einer Schaufel, oft direkt ins Gesicht.
- Zwei Anzeigen wegen des Rammens einer Schiebetür in die Körper der Tiere, wobei sie einmal mehrmals in den hinteren Teil einer Kuh gerammt und einmal einer Kuh der Hals mittels der Schiebetür eingeklemmt wurde.
Diese Anzeigen erfolgten jeweils gemäß Anhang I, Kapitel III, 1.8 VO (EG) 01/2005:
Es ist verboten,
- Tiere zu schlagen oder zu treten;
- auf besonders empfindliche Körperteile Druck auszuüben, der für die Tiere unnötige Schmerzen oder Leiden verursacht;
- Tiere mit mechanischen Mitteln, die am Körper befestigt sind, hoch zu winden;
- Tiere an Kopf, Ohren, Hörnern, Beinen, Schwanz oder Fell hoch zu zerren oder zu ziehen oder so zu behandeln, dass ihnen unnötige Schmerzen oder Leiden zugefügt werden;
- Treibhilfen oder andere Geräte mit spitzen Enden zu verwenden;
- Tiere, die durch einen Bereich getrieben oder geführt werden, in denen mit anderen Tieren umgegangen wird, vorsätzlich zu behindern.
- Mehrere Anzeigen wegen des Anbindens von Kälbern. Dies ist nur bei Tieren erlaubt die bereits an das Anbinden gewöhnt sind. Da in Österreich die Anbindehaltung von Kälbern, also bis zum sechstem Lebensmonat, verboten ist, muss bei ihnen davon ausgegangen werden, dass sie nicht ans Anbinden gewöhnt sind.
Diese Anzeigen erfolgten jeweils gemäß Anhang I, Kapitel III, 1.10 VO (EG) 01/2005:
Märkte und Sammelstellen halten Vorrichtungen bereit, um Tiere erforderlichenfalls anbinden zu können. Tiere, die nicht daran gewöhnt sind, angebunden zu werden, müssen unangebunden bleiben. Die Tiere müssen Zugang zu Wasser haben.
- Eine Anzeige gegen das
Nutzviehzentrum Farrach
wegen unhygienischen Haltungsbedingungen. Die Tiere müssen dort zum Teil in ihrem eigenem Urin und Kot stehen. Ein Ausruhen und/oder Hinlegen ist nicht möglich, ohne, dass sich die Tiere mit ihren eigenen Exkrementen beschmutzen.
Diese Anzeige erfolgte gemäß § 5 Abs 1 iVm § 5 Abs 2 Punkt 13 TSchG, § 13 Abs 2 TschG sowie 1.Tierhaltungsverordnung Anlage 2 Punkt 2.1.1.
- Eine Anzeige, weil zumindest bei einem Tier fraglich ist, ob es überhaupt transportfähig im Sinne der VO (EG) 01/2005 war, da es einen körperlich sehr geschwächten Eindruck machte.
Diese Anzeige erfolgte gemäß Anhang I, Kapitel I der VO (EG) 01/2005
- Tiere dürfen nur transportiert werden, wenn sie im Hinblick auf die geplante Beförderung transportfähig sind und wenn gewährleistet ist, dass ihnen unnötige Verletzungen und Leiden erspart bleiben. […]
- Eine Anzeige wegen der Sonderproblemstellung der nicht bestehenden Möglichkeit zur ausreichenden Tränkung von Kälbern bei sogenannten
langen Beförderungen
, also Transporten von über 8 Stunden (Siehe nächste Seite).
Diese Anzeige erfolgte insbesondere gemäß Anhang I, Kapitel V, 1.4 a) VO (EG) 01/2005
Die Zeitabstände für das Tränken und Füttern sowie Beförderungsdauer und Ruhezeiten sind bei Verwendung eines unter Nummer 1.3 genannten Fahrzeugs die Folgenden:
- Kälber, Lämmer, Zickel und Fohlen, die noch nicht abgesetzt sind und mit Milch ernährt werden, sowie noch nicht abgesetzte Ferkel müssen nach einer Beförderungsdauer von 9 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause erhalten, insbesondere damit sie getränkt und nötigenfalls gefüttert werden können. Nach dieser Ruhepause kann die Beförderung für weitere 9 Stunden fortgesetzt werden.
Alle Anzeigen erfolgten sowohl gegen die handelnden, als auch gegen die verantwortungstragenden Personen. Den Behörden wurde weiters nahe gelegt, in eventu und in Gesamtschau aller Übertretungen nach eigenem Ermessen allenfalls eine Strafanzeige wegen § 222 StGB einzubringen.