Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (11.12.2021)
Wolle
Schafwolle wird vielfach als unbedenkliches Naturprodukt, für das kein Tier verletzt werden oder leiden muss, betrachtet. Leider sieht die Realität anders aus.
Schafwolle wird als ein Naturprodukt mit vielen positiven Eigenschaften vermarktet. Atmungsaktiv, wärmend, nachwachsend – ein nachhaltiges Material mit tollem Tragekomfort. Doch leider ist die Entnahme der Wolle kein spaßiger Friseurtermin für Schafe und die Haltung der Tiere mit mehreren Tierschutz-Problemen verbunden.
Allgemeines
Bei der meisten Wolle handelt es sich um die weichen Haare des Fells von Schafen, es gibt allerdings auch Wolle, die von Ziegen, Kamelartigen und Angorakaninchen stammt. Verwendet wurde Wolle wahrscheinlich schon in der Bronzezeit und hat auch heute noch einen hohen Marktanteil neben Baumwolle und Kunstfasern1. Die größten Wolle-Produzenten sind Australien und Neuseeland, wobei dort vor allem die feinere Wolle aus Merinoschafen hergestellt wird3. Die meiste Wolle wird in Österreich importiert, da die heimische Wolle oft teurer und nicht so fein wie Merinowolle ist. Österreichische Wolle wurde in der Vergangenheit häufig als unrentables Nebenprodukt der Schaffleischindustrie einfach entsorgt, in jüngster Zeit wird sie zum Beispiel auch als Dämmmaterial oder Dünger verwendet2.
Zahlen und Fakten
In Österreich werden Schafe ein bis zweimal im Jahr geschoren, wobei bis zu 4 Kilogramm Wolle gewonnen wird4. Die Rohwolle wird dann gereinigt und teilweise mit Chemikalien behandelt3. 2020 lebten in Österreich etwa 394.000 Schafe in ca. 16.000 Betrieben, wobei hier vor allem Schaffleisch und -milch erzeugt wird5.
Laut der europäischen Textilkennzeichnungsverordnung dürfen die Haare von 13 Tieren als Wolle bezeichnet werden. Besteht ein Produkt aus reiner Schafwolle, darf es Bezeichnungen wie „rein“, „ganz“ oder „100 %“ tragen6.
Das Leiden der Tiere
Schafe dürfen gesetzlich an 275 Tagen im Jahr in Einzelboxen eingesperrt werden10. Ähnlich wie in der Milchwirtschaft bei Rindern müssen auch weibliche Schafe Kinder gebären, um Milch zu produzieren. Die meisten Lämmer werden nach 6 bis 12 Monaten als Mastlämmer in Schlachthöfen getötet. Außerdem werden Schafe für unterschiedliche Zwecke über Grenzen transportiert. Etwa 21.000 Schafe wurden 2020 von Österreich exportiert7. Schafe werden als Zucht-, Mast- oder Schlachttiere verkauft – die Vorschriften für die Transportbedingungen gleichen denen für Rinder. Lämmer, die noch Milch brauchen, dürfen bis zu 19 Stunden transportiert werden (mit einer Stunde Pause). Erwachsene Schafe dürfen sogar bis zu 29 Stunden (mit einer Stunde Pause) mit Tiertransportern befördert werden8.
Das Scheren ist für Schafe, die für ihre Wolle gehalten werden, ebenfalls kein spaßiger Besuch beim Friseur. Wie zahlreiche Videos von Tierschutzorganisationen zeigen, werden die Schafe bei der Schur oft stark misshandelt. Ein Grund dafür ist, dass die Scherer nicht pro Stunde, sondern pro Stück geschorenem Schaf bezahlt werden. Durch die grausame Behandlung werden den Tieren Körperteile abgeschnitten, ihnen werden klaffende Wunden zugefügt, die ohne Betäubung genäht werden, oder sie werden "versehentlich" durch Genickbruch getötet.
Ein großes Tierschutzproblem ist außerdem das sogenannte Mulesing. Merino-Schafe werden zusätzliche Hautfalten angezüchtet, um noch mehr Wolle zu erhalten. In diesen Hautfalten sammeln sich jedoch Nässe und Urin; als Folge nistet sich gerne eine bestimmte Fliegenart in die Hautfalten ein und legt dort ihre Eier. Gibt es keine Maßnahmen, werden die Schafe von den Larven bei lebendigem Leibe aufgegessen. Um dies zu verhindern, wird den Lämmern ohne Narkose ein tellergroßes Stück Fleisch um den Schwanz herum herausgeschnitten. Diese Praktik wird als ,,mulesing" bezeichnet und ist äußerst schmerzhaft für die Tiere.
Mythen
Ist Wolle ein Abfallprodukt der Fleischindustrie? Wie bereits weiter oben ausgeführt, wird österreichische Wolle zwar eher wie ein Abfallprodukt behandelt und kann nicht rentabel für Produkte aus Wolle eingesetzt werden. Die Merino-Schafe in Australien oder Neuseeland werden allerdings extra für ihre Wolle gezüchtet. Erst am Ende ihres kurzen Lebens, wenn sie nicht mehr genug Wolle produzieren, werden sie mit ewig langen Tiertransporten in ferne Länder verschifft, wo ihr Fleisch noch verkauft werden kann.
Müssen Schafe geschoren werden? Schafe sind so gezüchtet, dass ihre Haare immer weiter wachsen. Daher müssen domestizierte Schafe geschoren werden. Was ohne Schur passiert, zeigt ein Beispiel eines Schafs in Neuseeland, das sich sechs Jahre lang versteckt gehalten hatte. Als es schließlich gefunden wurde, konnte es kaum mehr sehen, weil die Wolle immer weiter gewachsen war9. Nicht domestizierte Schafe bekommen nur so viel Wolle, um sich vor Kälte zu schützen.
Alternativen
- Angora: Wie bereits weiter oben erwähnt, dürfen die Haare von insgesamt 13 Tierarten als Wolle bezeichnet werden. Eine beliebte Alternative zu Schafwolle ist Angora, das aus den Haaren von Kaninchen hergestellt wird. Auch Angora-Wolle ist keine tierfreundliche Alternative zu Schafwolle. Fast die komplette Weltproduktion für Angora-Wolle ist in China angesiedelt. Die Tiere fristen dort ihr Leben ohne Bewegung und Beschäftigung in Einzelkäfigen. Drei bis vier Mal im Jahr werden sie in Streckbänke eingespannt und ihnen das Fell ohne Betäubung aus der Haut gerissen. Videoaufnahmen von Tierschutzorganisationen zeigen, dass die Tiere bei dieser Behandlung Todesangst erleiden. Aufgrund der gewaltsamen Behandlung bleiben die Kaninchen nach dem Rupfen oft mit Wunden am Körper zurück.
- Seide: Die Wenigsten wissen genau, wie Seide hergestellt wird. Seide stammt vom Seidenspinner oder Maulbeerspinner. Das ist eine Schmetterlingsart, die in Südostasien vorkommt. Bevor die Raupen jedoch zu Schmetterlingen werden können, werden sie bei lebendigem Leibe gekocht oder mit heißem Dampf getötet. Nur so kann man verhindern, dass der Kokon zerrissen wird, in dem die Raupe sitzt. Der Kokon enthält nämlich den für den Menschen so wertvollen Seidenfaden.
+ Baumwolle: Prinzipiell gibt es auch wärmende Pullover, Socken etc. aus Baumwolle. Hier sollte man darauf achten, möglichst Bio-Qualität zu kaufen. Beim konventionellen Anbau werden viele Pestizide und chemische Düngemittel verwendet, die in Tierversuchen getestet wurden. Bio-Baumwolle wird zudem meist von Hand gepflückt, somit werden keine Tiere durch Erntemaschinen getötet.
+ Leinen und Hanf: Leinen kann gut Feuchtigkeit aufnehmen und zeichnet sich dadurch aus, dass beim Anbau viel weniger Pestizide und Dünger eingesetzt werden muss als beim Anbau anderer Pflanzen für die Textilproduktion. Der Hanfanbau schont die Umwelt, weil der Hanf keine Pestizide braucht. Der Stoff ist dreimal so robust wie Baumwolle.
+ Kunststoff und rPET: Polyester und Polyacryl werden schon lange für Kleidung verwendet. Leider bringen sie auch massive Umweltprobleme mit sich. Neuer ist der Stoff „rPET“, der aus recyceltem PET besteht und aus alten Plastikflaschen gewonnen wird.
+ Sonstige: Außerdem gibt es viele neuartige Stoffe aus Mais, Bambus, das sogenannte Modal aus Viskosefasern, die aus Holzzellstoff gewonnen werden, Sojaseide, die als Nebenprodukt der Tofuherstellung einen ähnlich weichen Stoff wie Seide ergibt und viele mehr. Wie man sieht, ist es auch ganz einfach möglich, tierleidfrei zu stricken, häkeln oder nähen. Vegane Wolle, also zum Beispiel aus Baumwolle, findet man in vielen Geschäften. Hier ist es wichtig, auf eine Bio- und Fair Trade Zertifizierung zu achten. Außerdem kann man tierleidfreie Wolle vielfach online erwerben, Angebote findet man etwa bei der Strickwerkstatt, unter Strick mir was oder auch von der Marke myboshi.
Quellen
1 Planet Wissen: Wolle
2 Hausjournal: Schafwolle zur Wärmedämmung – natürlich, leistungsstark, flexibel
3 NDR: Wolle: Sorten, Qualität und Herkunft
4 Blühendes Österreich: Schafe scheren – wenn es der Wolle an den Kragen geht
5 Statistik Austria: Viehbestand
7 TRACES: Österreich Bericht 2020
8 Tiertransport-Verordnung: VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2005 DES RATESvom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97
9 Welt: Neuseeland: Shrek – das Merino-Schaf war jahrelang auf der Flucht
10 1. Tierhaltungsverordnung: Verordnung der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen über die Mindestanforderungen für die Haltung von Pferden und Pferdeartigen, Schweinen, Rindern, Schafen, Ziegen, Schalenwild, Lamas, Kaninchen, Hausgeflügel, Straußen und Nutzfischen