Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (21.05.2021)
Wien, am 21.05.2021Was sagt ein ehemaliger Trophäenjäger über den Tod des Braunbären Arthur in Rumänien?
Der Tierethiker Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer im Gespräch mit dem VGT über Trophäenjagd
Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer war selbst Großwildjäger. Als Kind ist er mit seinem Vater mit auf die Jagd gegangen und fand das normal. Später ist er mit Freunden nach Afrika gereist, um dort fasziniert an der Jagd auf große Tiere teilzunehmen. Im Gespräch mit Ann-Kathrin Freude, Campaignerin des VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN, sagt er heute, er habe das damals unreflektiert gemacht und habe den tierethischen Aspekt nicht mitbedacht. Prof. Dr. Winkelmayer lebt heute vegan.
Durch meine intensive Beschäftigung mit Tierethik bin ich darauf gekommen, dass das Töten eines empfindungsfähigen Lebewesens zum Spaß, zum Freizeitvergnügen, überhaupt nicht geht. Das ist überhaupt nicht zu rechtfertigen. Ich möchte nicht mehr jagen. Ich kann das vor mir selbst tierethisch nicht mehr rechtfertigen,
sagt der ehemalige Amtstierarzt inzwischen.
Die Trophäenjagd und die Jagd überhaupt, sind aus der Zeit gefallen. Das ist eine Tradition, aber nur auf Tradition kann man sich nicht berufen. Wir haben heute so viele wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen können, dass wir wirklich sagen können: Das Töten ohne vernünftigen Grund, wie es auch im Tierschutzgesetz steht, eines empfindungsfähigen Lebewesens – und das sind nun mal alle Wirbeltiere – ist nicht mehr zu rechtfertigen.
Wieso gibt es die Jagd auf Tiere als Trophäen?
Die Trophäenjagd kommt laut Prof. Dr. Winkelmayer aus dem Adel, dem es lange Zeit vorbehalten war, zu jagen und ist keine Jahrhunderte alte Tradition. Um 1900 gab es die ersten internationalen Jagdausstellungen in Europa, wo spezielle Trophäen von Tieren als Besonderheit ausgestellt wurden. Das Sammeln und Zurschaustellen von Tieren als Trophäe ist also relativ neu.
Laut einer Analyse des Welttierschutzfonds war Österreich im Zeitraum zwischen 2004 und 2014 das Land, das weltweit die fünft meisten Jagdtrophäen importiert hat. Der Fall des in Rumänien erschossenen Braunbären Arthur wäre laut Prof. Dr. Rudolf Winkelmayer ein guter Anlass, die Einfuhr solcher Trophäen zu verbieten:
Wenn eine Trophäe dazu dient, dass Leute am Rande des Gesetze agieren, oder dass man aus dem Abschuss dieser Tiere ein Riesengeschäft macht, könnte man das hintanhalten, indem man die Einfuhr dieser Trophäen verbietet.
Im Falle von Arthur (der VGT hat berichtet) hätte eine solche Regelung vermutlich seinen Tod verhindern können, da ohne die Möglichkeit der Mitnahme seiner Leiche als Trophäe das Töten des Bären weniger attraktiv gewesen wäre.
Es geht ja nicht um das Töten alleine, sondern ein Trophäenjäger möchte es ja auch herzeigen. Wenn dieser Showeffekt, dieses Herzeigen, wegfällt, dann wäre das für den Erleger viel weniger attraktiv gewesen und wahrscheinlich wäre er nicht dazu bereit gewesen, Geld zu zahlen. In Rumänien wäre stattdessen ein Wildhüter ausgerückt, um die Problembärin zu töten und Arthur würde noch leben,
vermutet der ehemalige Jäger.
Ist es überhaupt nötig, Bären zu erschießen?
Bären sind seltene Tiere und darum auch streng geschützt. Sie haben Reviere von tausenden Hektar, weswegen man ihnen nicht so schnell über den Weg läuft. Trotzdem kann es vorkommen, dass einzelne Individuen dem Menschen oder den von Menschen gehaltenen Nutztieren
in die Quere kommen. Doch gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, die scheuen Tiere zu vertreiben, wie Elektrozäune, Gummigeschosse oder eine aktive Umsiedelung. Eine Tötung darf immer nur das letzte Mittel sein. Im Normalfall lernen die Tiere schnell, wo sie nicht beliebt sind und halten sich von menschlichen Siedlungen fern.
Aus diesem Grund ist auch die Jagd auf Bären eine Frage des aktiven Anlockens. Tierkadaver, beispielsweise von Schweinen, werden vor einem Hochstand an den Boden gekettet, um den Bären anzufüttern. Sobald der regelmäßig vorbeischaut, kann der zahlende Jagdgast kommen.
Das ist also eine bestellte Ware, die der Jagdgast dort abholt. Das ist keine Herausforderung und schon gar keine Heldentat. Man lockt das Tier in einen Hinterhalt, um es dort abzuknallen. Soweit man überhaupt noch die Jagd als fair bezeichnen kann – das ist keine faire Jagd,
sagt Prof. Dr. Winkelmayer.
Könnte man aus Versehen einen großen Bären statt einer kleinen Bärin erschießen?
Wer einen Bären nicht von einer Bärin unterscheiden kann, als Jäger, sollte ganz rasch seinen Jagdschein abgeben. Eine Grundregel der waidgerechten Jagd ist, dass sich der Schütze ein sehr genaues Bild dessen macht, was er zu töten gedenkt. Wir lesen ja bei der Wildschweinjagd immer wieder von Verwechslungen. Da wurden ja schon Haflinger-Pferde bis traurigerweise Schwammerl suchende Menschen getötet, weil Jäger im Übereifer gehandelt haben. Er muss sich ja ganz genau versichern, was er da vor sich hat. Wenn jemand sagen würde, dass er nicht gewusst hätte, dass das so ein großer Bär war, sondern er sei eh der Meinung gewesen, das wäre eine kleine Bärin, dann ist das eigentlich eine Selbstbeschuldigung, weil es gegen jegliche Jagdehre geht,
sagt der ehemalige Jäger.
Es bleibt zu hoffen, dass durch den Tod Arthurs zumindest das traurige Kapitel der Trophäenjagd ein baldiges Ende nimmt.
Verurteilen kann man die Gesellschaft und die Politik, dass sie keine zeitgemäße Tierethik entwickelt, dass sie das nicht in Gesetzesform gießt, was längst Stand der Wissenschaft ist. Nach dem Tierschutzgesetz müsste der Schutz des Lebens Vorrang haben. Bei uns ist Tierschutz im Verfassungsrang. Die Vertreter der Gesellschaft, die Politik, sind gefordert, endlich unserem heutigen Wissen entsprechend die Gesetze anzupassen,
sagt Prof. Rudolf Winkelmayer – und da können wir ihm nur zustimmen.