Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (24.05.2022)
Wien, am 24.05.2022Fische fühlen Schmerz – Teil 3
Verhaltensänderungen bei Fischen durch schädliche Reize.
Fische (und andere Tiere) erleben Schmerz als eine sensorische Erfahrung, die durch eine Verletzung verursacht wird. Der Schmerz löst Schutzreaktionen aus und führt zu Verhaltensänderungen. Tiere, die Schmerzen haben, lernen, die schmerzverursachenden Reize zu vermeiden. So lässt sich vereinfacht dargestellt Schmerz bei Fischen definieren. Das Thema Tierschmerz wurde im Beitrag Fische fühlen Schmerz, Teil 2 – Schmerz bei Tieren ausführlich behandelt.
Die Frage, um die es in diesem Text geht, ist: Gibt es naturwissenschaftliche Beweise dafür, dass Fische ihr Verhalten ändern, wenn sie Reizen ausgesetzt sind, die potentiell schmerzverursachend sind? Die Antwort ist: Ja, es gibt mehrere eindeutige Beweise. Einige davon werden hier vorgestellt.
Hinweis: Bei den hier vorgestellten wissenschaftlichen Studien wurden größtenteils an Fischen Tierversuche durchgeführt. Der VGT lehnt Tierversuche ab, auch solche, die in den erwähnten Studien durchgeführt wurden. Die Erkenntnisse und Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Forschungen rechtfertigen die Versuche an den Fischen nicht. Die Forschungen werden in diesem Text nur erwähnt, um die naturwissenschaftlichen Beweise für das Schmerzempfinden von Fischen darzustellen.
Regenbogenforellen verändern Verhalten
Eine Forschungsstudie von Lynne U. Sneddon, Victoria A. Braithwaite und Michael J. Gentle, die sich mit dem Thema Nozizeptoren bei Fischen beschäftigte und deren Ergebnisse im April 2003 veröffentlicht wurden, brachte eindeutige Ergebnisse über Verhaltensänderungen von Fischen, nachdem den Tieren schädliche Substanzen verabreicht worden waren. In den Schlussfolgerungen der Studie teilen die Autor:innen mit: [...] Insgesamt wirkte sich die Verabreichung von schädlichen Substanzen negativ auf das Verhalten der Fische aus. Diese Verhaltensweisen können auf Unbehagen hindeuten und könnten als Indikatoren für Schmerzen oder das Auftreten eines schädlichen Ereignisses bei Fischen verwendet werden. [...] Die Ergebnisse der vorliegenden Studie belegen die Nozizeption und deuten darauf hin, dass schädliche Reize bei der Regenbogenforelle nachteilige verhaltensmäßige und physiologische Auswirkungen haben.
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Goldfische und Forellen verändern Verhalten
Im Jahr 2005 veröffentlichten Rebecca Dunlop, Sarah Millsopp und Peter Laming von der Universität Belfast die Ergebnisse einer Studie, in der untersucht wurde, ob Goldfische und Forellen lernen, räumliche Bereiche, die mit einem potenziell schädlichen Reiz assoziiert sind, zu meiden. Die Studienautor:innen schreiben in der Zusammenfassung: Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Schockvermeidung bei Fischen keine reine Reflexhandlung ist.
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Unterschiedliche Verhaltensänderungen
2006 veröffentlichte Lynne U. Sneddon eine wissenschaftliche Arbeit, die sie dem Thema Ethik und Tierschutz: Schmerzempfindung bei Fischen
widmete. Sneddon betrachtete darin unter anderem die für die damalige Zeit vorhandenen Beweise für das Schmerzempfinden von Fischen vor. Bei mehreren Forschungen wurden verschiedene Verhaltensänderungen von Fischen nach Reizstimulationen beobachtet, die Sneddon anführt: Anstieg der Atmungsrate und Kiemenaktivität, Schwimmen in Höchstgeschwindigkeit, fehlende Angstreaktion auf üblicherweise Angst auslösende Stimuli. Die Wissenschaftlerin: Die Forschung zur Frage der Schmerzwahrnehmung bei Fischen hat eindeutige Beweise dafür erbracht, dass es ein echtes Schmerzpotenzial gibt. Fische haben ein ähnliches sensorisches System, zeigen unerwünschte Verhaltensweisen und physiologische Reaktionen und normales Verhalten wird während eines potenziell schmerzhaften Ereignisses ausgesetzt. Daher ist sensorischer Schmerz mehr als wahrscheinlich, und es gibt Hinweise auf psychisches Leiden, da diese Verhaltensreaktionen verlängert werden und keine einfachen Reflexe sind.
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Goldfische und Hitze
Bei einer im Jahr 2009 durchgeführten Untersuchung mit Goldfischen wurde getestet, ob Goldfische Wärme als aversiv (ablehnend) wahrnehmen, ob sie auf zunehmende Hitze mit einer Fluchtreaktion reagieren und ob die Verabreichung von Morphin die Hitzeempfindlichkeit der Goldfische verringern und die Hitzestimulation das Verhalten nach dem Test beeinflussen würde. Alle Fische reagierten auf die Hitze mit einer Fluchtreaktion. Morphium verringerte die Auswirkungen der Wärmereize auf das Verhalten erheblich. Die Studienautor:innen: Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass Goldfische zunehmende Wärme als aversiv wahrnehmen, wie dies auch von anderen Wirbeltieren bekannt ist.
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Karpfen und Nil-Buntbarsche
Im Jahr 2010 untersuchte ein Team holländischer Wissenschafter:innen die Frage nach dem Schmerzempfinden bei Karpfen und Nil-Buntbarschen. Bei den Untersuchungen wurden Tieren die Schwanzflossen abgeschnitten. Die Ergebnisse waren eindeutig, wie die Wissenschafter:innen in der Zusammenfassung der Studienergebnisse erklärten: Wir kommen zu dem Schluss, dass die unterschiedliche Reaktion auf die Beschneidung dafür spricht, dass es sich um einen schmerzhaften Eingriff handelt, der einen vorübergehenden spezifischen physiologischen Zustand hervorruft.
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Zebrabärblinge
In einer Versuchsreihe im Jahr 2011 wurden die Auswirkungen der Injektion eines chemischen Reizstoffes in den Schwanz von Zebrabärblingen auf das Verhalten der Fische untersucht. Die Ergebnisse waren eindeutig: Die Injektion erhöhte die Menge an sogenanntem unkontrollierten Schwimmen
und führte zu einem spezifischen Schwanzschlagverhalten der Fische. In der Zusammenfassung der Studienergebnisse steht: Zebrafische reagieren nachweislich konsistent auf schädliche chemische Reize und zeigen zuverlässige Phänotypen von Stress, Furcht und Angst.
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Mosambik-Buntbarsche
2012 führte ein Team von Wissenschaftler:innen unter Führung von Jonathan Roques Untersuchungen mit Strom an Mosambik-Buntbarschen durch. Die Schlussfolgerungen daraus lauten: Die unterschiedlichen und stärkeren Reaktionen auf den Elektroschock deuten darauf hin, dass die Fische den Schock potenziell als schmerzhaft empfanden. [...]Unsere Ergebnisse zeigen, dass das Wohlbefinden vom Mosaik-Buntbarschen beeinträchtigt wird, wenn sie einem schwachen Elektroschock ausgesetzt sind.
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Weitere Beweise
Im Jahr 2015 widmete sich Lynne U. Sneddon in einer weiteren wissenschaftlichen Arbeit dem Thema Schmerzwahrnehmung bei aquatischen Arten, also Fischen und ausgewählten wirbellosen Tieren. Sie untersuchte darin eine Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten zum Thema. In ihren Schlussfolgerungen schreibt sie: Gemeinsame Verhaltensreaktionen wie Rückzug, Unterbrechung des normalen Verhaltens und Ausführung von Verhaltensweisen, die Schutz und Heilung fördern, sind bei Krebstieren, Weichtieren und Fischen zu beobachten.
In dieser Arbeit erwähnt Sneddon einige Beispiele wissenschaftlicher Forschungen, bei denen eindeutige Verhaltensreaktionen von Fischen nach schädigenden Reizen zu beobachten waren. Sie schreibt: Bei der Untersuchung des Verhaltens und der physiologischen Reaktionen ganzer Tiere auf potenziell schmerzhafte Reize gibt es viele Hinweise darauf, dass sich Fische vor einem schädlichen Ereignis zurückziehen.
Beispielsweise lernen Fische in der Regel in einem oder wenigen Versuchen, Elektroschocks zu vermeiden, wie im Jahr 2010 Yoshida und Hirano herausfanden. Lynne U. Sneddon: Dieses Vermeidungsverhalten hält bis zu drei Tage lang an, aber nach drei Tagen Nahrungsentzug riskieren die Fische, in die Schockzone zu gelangen, um Nahrung zu erhalten. Dies zeigt, dass Teleost-Fische (= Knochenfische) Elektroschocks als so abschreckend empfinden, dass sie ihr anschließendes Verhalten ändern.
Forellen, die eine schmerzhafte Injektion in die Lippen erhielten, aßen drei Stunden lang nicht und zeigten Vermeidungsverhalten . Nilbuntbarsche und Engmaulsalmler zeigten nach schädigender Reizzufügung intensives Schwimmverhalten. Neuartiges und anomales Verhalten nach der Konfrontation mit schmerzhaften Ereignissen wurden schon einige beobachtet. Zebrafische schlugen beispielsweise kräftig mit der Schwanzflosse. Forellen und Karpfen wippten am Bodensubstrat hin und her. Forellen und Goldfische rieben Injektionsstellen. Lynne U. Sneddon: Dies lässt vermuten, dass diese anomalen Verhaltensweisen eine direkte Folge der schmerzhaften Behandlung sind, [...].
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Diese Auswahl einiger Studien zum Thema Verhaltensänderungen von Fischen bei Erfahrungen mit unangenehmen bis schädlichen Reizen zeigt eindeutig, dass Fische auf negative Reize mit Verhaltensänderungen reagieren. Anders formuliert: Fische empfinden Schmerzen und versuchen das durch Änderung ihres Verhaltens zu beenden. Es existieren noch weitere Studien zum Thema. Diese hier anzuführen, ist aber nicht notwendig. Die erwähnten Studien belegen den naturwissenschaftlichen Wahrheitsbeweis des Schmerzempfindens von Fischen durch Verhaltensänderungen zur Genüge.
Quellen
- Lynne U. Sneddon, Victoria A. Braithwaite, Michael J. Gentle: Do fishes have nociceptors? Evidence for the evolution of a vertebrate sensory system, April 2003
- Rebecca Dunlop, Sarah Millsopp, Peter Laming: Avoidance learning in goldfish (Carassius auratus) and trout (Oncorhynchus mykiss) and implications for pain perception Applied Animal Behaviour Science, Volume 97, Issues 2–4, May 2006, Pages 255-271
- Dr. Lynne U. Sneddon, Ethics and welfare: Pain perception in fish, 2006
- Janicke Nordgreen, Joseph P. Garner, Andrew Michael Janczak, Birgit Ranheim, William M. Muir, Tor Einar Horsberg: Thermonociception in fish: Effects of two different doses of morphine on thermal threshold and post-test behaviour in goldfish (Carassius auratus), 2009
- Roques JAC, Abbink W, Geurds F, van de Vis H, Flik G. Tailfin clipping, a painful procedure: studies on Nile tilapia and common carp. Physiology & Behavior 2010;101(4):533–540.
- Maximino, C. (2011). Modulation of nociceptive-like behavior in zebrafish (Danio rerio) by environmental stressors. Psychology & Neuroscience, 4(1), 149-155.
- Jonathan Roques: Physiological and behavioral responses to an electrical stimulus in Mozambique tilapia (Oreochromis mossambicus), 2012, Fish Physiology and Biochemistry
- Lynne U. Sneddon: Pain in aquatic animals, The Journal of Experimental Biology (2015) 218, 967-976