Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (24.05.2023)
Wien, am 24.05.2023Aviäre Influenza (Vogelgrippe)
VGT warnt vor neuer Pandemie; Massentierhaltung beenden!
Die Aviäre Influenza oder auch Vogelgrippe ist eine durch Viren verursachte Infektionskrankheit, die bereits 1878 zum ersten Mal in Italien aufgefallen ist und sich global verbreitete. Seit Jahrzehnten wird praktisch jährlich über Fälle berichtet. Für alle wilden und domestizierten Vogelarten ist die Krankheit hoch ansteckend und es sind immer wieder Vogelpopulationen auf der ganzen Welt betroffen. Üblicherweise sind die Ausbrüche saisonal, doch nun liegt seit 2021 die wohl bisher massivste und geografisch am weitesten verbreitete Vogelgrippe-Epidemie bei Wildvögeln und Geflügel vor. Mit Ausnahme von Australien und der Antarktis wurden weltweit Fälle gemeldet. Stark betroffen ist neben ganz Europa vor allem auch Amerika. Auffällig ist, dass die Infektionszahlen in den Sommermonaten 2022 ungewöhnlich hoch waren 2 und vermehrt auch koloniebrütende Seevögel (z.B. verschiedene Möwenarten) erkrankten, die bisher kaum als betroffen gemeldet wurden.
Millionen von Tieren, teils extrem brutal, getötet
Immer wieder haben Ausbrüche der Vogelgrippe verheerende Verluste von wilden Vogelpopulationen. Wird ein Vogel in Nutztier
-Haltung infiziert, werden alle Tiere des Bestands getötet. So verlangt es das Gesetz. In Österreich sollte das üblicherweise mittels Gas oder Strom in mobilen Anlagen geschehen. Auf Nachfrage bei den zuständigen Behörden, welche Methoden hier angewandt werden, wurde dem VGT allerdings keine Auskunft erteilt. In Bezug auf die Vorgehensweisen in solchen Fällen braucht es dringend mehr Transparenz, damit sichergestellt werden kann, dass es zu keinen gesetzlichen Übertretungen kommt und der Tierschutzaspekt berücksichtigt wird. Aus anderen Ländern ist bekannt, dass die Tötung zum Teil über noch grauenhaftere Methoden als Strom oder Gas erfolgt. Laut der Tierschutzorganisation L214 haben die zuständigen Behörden in Frankreich betroffenen Betrieben im Jahr 2022 inoffiziell dazu geraten, die Belüftung der Hallen auszuschalten, um die Tiere durch Ersticken zu töten.3 In den USA ist es offiziell gestattet, die Lüftung auszuschalten und die Heizung hochzudrehen, damit die Tiere qualvoll an einem Hitzeschlag sterben. Aus Tierschutzsicht sind beide Varianten strikt abzulehnen, da die Tiere über mehrere Stunden extremem Leid ausgesetzt werden4.
Im Zeitraum 2021 bis 2022 wurden in Europa 47,7 Millionen und in den USA ca. 53 Millionen domestizierte Vögel gekeult.2, 5 Unfassbare Zahlen, wenn man bedenkt, dass jedes einzelne Tier ein Subjekt mit Gefühlen war, das gelitten hat. Seit Anfang Dezember 2022 bis April 2023 sind laut der Weltorganisation für Tiergesundheit knapp 20 Millionen Vögel an der Vogelgrippe gestorben oder wurden gekeult.6 In Österreich waren laut ADIS (Animal Disease Information System) ab Juli 2022 bis April 2023 drei geflügelhaltende Betriebe und fünf Hobbyhaltungen von der Vogelgrippe betroffen.7
Expert:innen sehen die Situation als besorgniserregend
Die Aviäre Influenza gilt als Zoonose, also eine Infektionskrankheit, die zwischen Tier und Mensch übertragbar ist. Zoonosen haben sich in der Vergangenheit oft zu Pandemien entwickelt. Beispiele dafür sind die Spanische Grippe, Tuberkulose oder Covid-19. In den heute gängigen Tierhaltungssystemen sind die Tiere oft auf engstem Raum zusammengepfercht. Durch schlechte Haltungsbedingungen und mangelnde genetische Vielfalt sind sie zudem anfälliger für Krankheiten.8, 9 So verbreiten und entwickeln sich Viren rasend schnell. Mutationen können leicht entstehen und die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit auch für andere – nicht menschliche und menschliche – Tiere gefährlich wird, erhöhen.10, 11
Mittlerweile wurde das Vogelgrippe-Virus auch bei knapp 30 Säugetierarten, darunter Füchse, Seelöwen, Seehunde, Otter und Bären, festgestellt. In Peru wurden im Zuge eines Vogelgrippe-Ausbruchs nicht nur mindestens 63.000 tote Wildvögel, sondern auch rund 3.500 verstorbene Seelöwen gemeldet. Das sind über 3 % der gesamten peruanischen Seelöwen-Population. Als besonders alarmierend galt auch ein Ausbruch auf einer spanischen Nerzfarm, der zur Tötung von rund 50.000 Nerzen geführt hat. Bisher wurde das Virus nur in Einzelfällen durch sehr engen Kontakt mit infizierten Vögeln auf Säugetiere oder Menschen übertragen. In den erwähnten Fällen gilt es aber als unwahrscheinlich, dass alle Infektionen der Seelöwen und Nerze auf den Kontakt mit Vögeln zurückzuführen sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Krankheit von Säugetier zu Säugetier übertragen wurde. Expert:innen sehen das als besorgniserregend. Zum Einen für die Biodiversität, da ganze Vogelkolonien dem Virus zum Opfer fallen.12 Zum Anderen könnte sich das Virus über diesen Weg besser an Säugetiere anpassen. Genetische Analysen zeigen, dass bereits Mutationen entstanden sein dürften, die es dem Virus ermöglichen, sich effektiver in Säugetieren zu vermehren. Die in Europa aktuell vorherrschende Version des Virus bleibt zwar primär an Vögel angepasst, die Mutationen deuten aber auf ein erhöhtes zoonotisches Potential hin. Auch wenn das Risiko für den Menschen gering bleibt und es hier momentan weiterhin nur zu vereinzelten Ansteckungen kommt, sollte die Gefahr nicht unterschätzt werden.13, 14, 15, 2 Drei größere Impfstoffhersteller testen bereits Probe-Impfstoffe als Vorsichtsmaßnahme gegen eine kommende Pandemie.16
Um das Risiko einer weiteren Pandemie durch eine Zoonose zu minimieren und enormes Tierleid durch die Keulung von Millionen von Tieren zu verhindern, ist es dringend notwendig, den Kosum tierlicher Produkte drastisch zu reduzieren und die Intensivtierhaltung zu beenden.
Quellen
- AGES: Vogelgrippe
- EFSA: Fallzahlen in Europa so hoch wie noch nie im Sommer
- Exclusive Footage of the Avian Influenza Outbreak in Vendée (L214)
- Gwendolen Reyes-Illg et al.: The Rise of Heatstroke as a Method of Depopulating Pigs and Poultry: Implications for the US Veterinary Profession. Animals (Basel) 13(1), Dez 2022
- The Guardian: Avian flu has led to the killing of 140m farmed birds since last October
- WOAH: Avian Influenza, Reports
- AGES: Aviäre Influenza bei Geflügel und Nicht-Geflügel (AI)
- Rauw, W. M., Kanis, E., Noordhuizen-Stassen, E. N., & Grommers, F. J. (1998). Undesirable side effects of selection for high production efficiency in farm animals: a review. Livestock production science, 56(1), 15-33.
- Spielman, D., Brook, B. W., Briscoe, D. A., & Frankham, R. (2004). Does inbreeding and loss of genetic diversity decrease disease resistance?. Conservation Genetics, 5, 439-448.
- Ehrenreich, J. (2022). The Sources of Pandemics. In The Making of a Pandemic: Social, Political, and Psychological Perspectives on Covid-19 (pp. 27-39). Cham: Springer International Publishing.
- Marchese, A., & Hovorka, A. (2022). Zoonoses Transfer, Factory Farms and Unsustainable Human–Animal Relations. Sustainability, 14(19), 12806.
- Der Standard: Könnte die Vogelgrippe zu einer Pandemie werden
- Agüero, M., Monne, I., Sánchez, A., Zecchin, B., Fusaro, A., Ruano, M. J., & Orejas, J. J. (2023). Highly pathogenic avian influenza A (H5N1) virus infection in farmed minks, Spain, October 2022. Eurosurveillance, 28(3), 2300001.
- EFSA (European Food Safety Authority), ECDC (European Centre for Disease Prevention and Control), EURL (European Reference Laboratory for Avian Influenza), Adlhoch C, Fusaro A, Gonzales JL, Kuiken T, Marangon S, Stahl K, Niqueux É, Staubach C, Terregino C, Mirinaviciute G, Aznar I, Broglia A and Baldinelli F, (2023) Scientific report: Avian influenza overview December 2022–March 2023. EFSA Journal 2023;21(3):7917, 43 pp. https://doi.org/10.2903/j.efsa.2023.7917
- Haug, Clemens: Das nahezu perfekte Vogelvirus H5N1 - WHO bereitet sich auf Übersprung vor (3.5.2023, MDR.de)
- Vogelgrippe in Wildvogel-Park: Auch Menschen könnten infiziert sein (19.5.2023, Kurier)