Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (28.09.2023)
Pavia/Italien, am 28.09.2023Italien: Amtstierärzt:innen und Polizei ermorden 9 Schweine auf Lebenshof nahe Mailand
20. September 2023: Großaufgebot der Polizei prügelt mehr als 100 Tierschützer:innen aus dem Weg und zerstört große Teile des Lebenshofs, um die Schweine zu töten
Die Afrikanische Schweinepest ist eine für Schweine ansteckende Krankheit, die aber für Menschen ungefährlich ist. Um die industrielle Schweineindustrie vor finanziellem Schaden zu bewahren, hat man sich vielerorts - so auch in Italien - entschlossen, behördlich alle Schweine in der Nähe von Orten, an denen die Krankheit nachgewiesen ist, zu töten. In Italien sind deshalb bereits 34.000 Schweine umgebracht worden, auch in der Region von Mailand, wo sich bei Pavia der Lebenshof Cuori Liberi befindet, auf dem 9 gerettete Schweine gelebt haben. Einige davon hatten die Afrikanische Schweinepest bekommen, wurden aber gut versorgt und waren bereits auf dem Weg der Besserung, als die Behörde angekündigt hat, sie werde alle Schweine des Lebenshofs umbringen.
Aus ganz Italien kamen über 100 Tierschützer:innen zu Hilfe, um diesen 9-fachen Mord zu verhindern. Die Schweine sollten in einem Lebenshof eigentlich in Sicherheit vor menschlicher Gewalt sein und bis zu ihrem natürlichen Tod leben können. Lebenshöfe sind alternative Formen des Zusammenlebens zwischen den Spezies - sie wollen zeigen, wie eine friedliche Koexistenz möglich ist. Deshalb ist das Vorgehen der Behörden noch unbegreiflicher, in diese friedliche Welt mit mörderischer Gewalt einzugreifen.
Eine Woche lang konnte die Präsenz so vieler Menschen am Lebenshof die Behörden abhalten, das Todesurteil an den Schweinen zu vollstrecken. Doch dann marschierten hunderte Polizeibeamt:innen mit Helmen, Schlagstöcken und Schildern auf. Die verschlossenen Eisentore wurden aufgebrochen. Die Tierschützer:innen leisteten tapfer und verzweifelt passiven Widerstand, doch wurden sie von der Polizei auseinander geprügelt. Die Filmaufnahmen der anwesenden Presse sind schwer zu ertragen. Es ist sogar zu sehen, wie ein Mensch mit großer Aufschrift „Presse“ am Boden liegt und von einem Polizisten mit dem Schlagstock geprügelt wird. Es kam zu schweren Verletzungen bei den Tierschützer:innen.
Unbegreiflich bleibt, wie sich Polizist:innen für so einen Einsatz hergeben können. Beim Betrachten der Aufnahmen hat man das Gefühl, dass es diesen Leuten gefällt, auf wehrlose Menschen, die Leben retten wollen, einzuprügeln. Die Polizei hat sicher grundsätzlich auch eine wichtige Rolle zum Schutz von Menschenrechten, aber ihr Gewaltmonopol wird leider auch oft benutzt, um großes Unrecht zu tun und sinnlose, zerstörerische und sogar tödliche Gewalt gegen Unschuldige auszuüben. Der Traum, dass sich eines Tages keine Menschen mehr für so verbrecherische Handlangerdienste der Mächtigen finden, wird leider ein Traum bleiben.
Als letztlich alle Tierschützer:innen mit Brachialgewalt aus dem Weg geräumt waren, traten die Amtstierärzt:innen auf den Plan. Sie ermordeten die 9 Schweine, ohne mit der Wimper zu zucken. Wo bleibt hier der hippokratische Eid? Wie können diese Menschen, die sich doch dem Schutz der Tiere verschrieben haben, einfach unschuldige Schweine umbringen? Wieso weigern sich Tierärzt:innen nicht, so etwas zu tun? Leider ist die Erfahrung des VGT, dass das Studium der Tiermedizin gegenüber Tierleid abstumpfen lässt, und insbesondere unter Amtstierärzt:innen viele Leute offenbar kein Verständnis mehr für Gerechtigkeit und Tierschutz haben. Eine Amtstierärztin hat den VGT-Obmann seinerzeit wegen Tierquälerei angezeigt, weil zwei Schweine aus einer grauenhaften Vollspalten-Schweinefabrik befreit worden sind, um in einen Lebenshof zu kommen. In ihren Augen war die Befreiung die Tierquälerei, die grauenhafte Tierfabrik dagegen der akzeptable Umgang mit den Schweinen.
So auch hier im Lebenshof Cuori Liberi. Die 9 Schweine wurden einfach umgebracht und dann ohne jede Achtung und Pietät, und ohne auch nur an die Gefühle der anwesenden Tierschützer:innen zu denken, die mit diesen Schweinen jahrelang zusammengelebt hatten und sie als Familienmitglieder betrachteten, vor den Augen aller mit einem Bagger in den Container der Tierkörperverwertung geleert. Ein Abschluss dieser staatlichen Gewaltaktion, der symbolisch für die totale Abwertung der Tiere in unserer Gesellschaft zu leblosen Dingen steht.
Am Ende blieben die Tierschützer:innen verzweifelt, geschlagen und verletzt zurück. Ein Gutteil des Lebenshofs ist zerstört worden. Der Staat ist mit seiner Missachtung aller tierlichen Interessen in diese friedliche Insel in einem Meer von brutaler Gewalt gegen Tiere, die in unserer Gesellschaft die Norm ist, eingedrungen. Es ist offenbar noch ein weiter Weg, bis Tiere nicht mehr als Sachen gelten, sondern die Achtung vor ihrem Leben bekommen, die sie verdienen.
Video von den Vorfällen (Trigger Warnung: Polizeigewalt)