Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (10.05.2008)
Recherche Tiertransport: Kälberexport in italienische Kettenmast
80.000 männliche Kälber aus der Milchindustrie werden jährlich in den Süden transportiert, weil sie in Österreich "überflüssig" sind. Von 5.-6. Mai 2008 dokumentierte ein Recherchteam des VGT einen derartigen Transport.
80.000 männliche Kälber aus der Milchindustrie werden jährlich in den Süden transportiert, weil sie in Österreich „überflüssig“ sind. Sie können später einmal keine Milch geben. Diesen Transporten zu folgen klingt nach keiner großen Aufgabe. Doch die Transportfirmen spüren bereits, wie sehr die Öffentlichkeit ihre Machenschaften ablehnt. Sie wollen daher nicht, dass auch nur irgendwelche Filme oder Informationen dieser Transporte an die Öffentlichkeit gelangen. Und dafür sind sie offenbar bereit, praktisch über Leichen zu gehen, wie das Rechercheteam des VGT in diesen Tagen zu merken bekam.
Montag, 3 Uhr früh.
TierrechtlerInnen sind schon seit einiger Zeit auf den Beinen und mit ihrem
Auto unterwegs, um die Verladung von Kälbern zu filmen. In der Nacht von
Sonntag auf Montag werden jede Woche Kälber im Alter von zwischen 2 und
4 Wochen im Osten Österreichs von einem Tiertransporter eingesammelt und
dann u.a. zum Nutzviehmarkt nach Bergheim bei Salzburg gebracht. Insgesamt
braucht der Transport-LKW gut 10 Stunden, bis er voll beladen dort ankommt.
Montag, 13 Uhr.
Die Abladung der Kälber am Nutzviehmarkt in Bergheim beginnt. Laufend kommen
auch kleinere Fahrzeuge aus der Umgebung mit Anhängern, in denen Kälber
stehen, an. Aber auch mehrere große Sammeltransporte erscheinen. Das Abladen
auf der Rampe bedeutet großen Stress für die jungen Tierkinder. Sie schreien
ununterbrochen nach ihren Müttern. 2 große Langstreckentransporter mit Anhängern
und italienischem Kennzeichen stehen bereit, um auf je 3 Etagen insgesamt
rund 250 Kälber pro Transporter aufzunehmen.
Montag, 16 Uhr.
Die Verladung auf die italienischen Transporter beginnt. Ein Aktivist klettert
auf einen Baum am Salzachufer, um die Verladung von dort aus – auf öffentlichem
Grund – zu filmen. Bald schon wird er von den Leuten an der Sammelstelle
der Kälber bemerkt. Und diese Leute wollen sich offensichtlich nicht bei
ihrer Tätigkeit filmen lassen. Ungefähr 15 Männer nähern sich dem Baum,
davon ganz vorne 2 Männer mit einer laufenden Motorsäge. „Das kann ja nur
ein Scherz sein“, denken sich noch die TierrechtlerInnen, da legt der eine
die Motorsäge an den Baum an, auf dem der filmende Aktivist sitzt. Die Sägespäne
fliegen, die Säge schneidet tief in den Stamm, als wäre er aus Butter.
Eine Aktivistin stürzt herbei und stößt die Motorsäge weg. Sie stellt sich schützend vor den Baum. Der Mann packt die Tierrechtlerin und schleudert sie zu Boden. Weitere AktivistInnen bedroht er mit laufender Motorsäge. Doch durch die Anwesenheit von mehreren Kameras und weiteren AktivistInnen lässt er sich davon abhalten, wieder anzugreifen. Mit Beschimpfungen aller Art ziehen er und seine Kumpane sich wieder in den Nutzviehmarkt zurück.
Montag, 18 Uhr.
Die Verladung der italienischen Transporter schreitet weiter voran. Einer
ist schon abgefertigt, der andere noch größtenteils leer. Die Kälber im
Transporter – man sieht sie durch die Luken dicht gedrängt nebeneinander
stehen – schreien und schreien, ununterbrochen. Ein Amtstierarzt hat erklärt,
dass die Kälber in diesem Alter noch kein Wasser vertragen. Sie brauchen
die Milch ihrer Mütter. Diese ist aber nur für die Menschen bestimmt. Die
Tränken in den Transportfahrzeugen bleiben daher leer.
Eine Tierrechtlerin fotografiert von außerhalb des Geländes über den Zaun die Verladerampe. Da springt einer der italienischen Fahrer des Tiertransporters auf und läuft schreiend auf die Fotografin zu. Er schlägt mit dem langen Stock, den er zum Treiben der Kälber verwendet, über den Zaun auf sie hin. Der zweite Tiertransportfahrer wird auch plötzlich aggressiv. Er läuft aus dem Gelände heraus und um den Zaun herum, und greift ebenfalls mit erhobenem Stock die Fotografin an. Diese flüchtet in den Wald. Ein Aktivist stellt sich dem Angreifer in den Weg und sagt ihm in klaren Worten, dass er sofort den Stock niederlegen soll. Der italienische Frächter bedroht den Tierrechtler, schreit ihm aus unmittelbarer Nähe Beleidigungen ins Gesicht, und zieht sich dann aber doch lieber unverrichteter Dinge in das Nutzviehmarktgelände zurück.
Montag, 20 Uhr.
Alle Kälber sind jetzt auf die italienischen Tiertransporter verladen. 2
Etagen sind aber leer geblieben. Die Fahrzeuge stehen herum und warten.
Die Kälber schreien und schreien. Da kommt noch ein letzter österreichischer
Tiertransporter mit Kälbern. Die Tiere werden rasch direkt von diesem Fahrzeug
in einen der italienischen Langstreckentransporter gebracht.
Montag, 21 Uhr.
Abfahrt aus Bergheim. Die beiden italienischen Transporter machen sich auf
den Weg. Sie fahren direkt auf die Westautobahn Richtung Deutschland. Nach
Rosenheim geht es über das Inntaldreieck Richtung Tirol. Bei Innsbruck wird
auf die Brennerautobahn abgebogen und bald darauf beginnt Italien. Die Tierrechtsfahrzeuge
folgen.
Dienstag, 1 Uhr früh.
Auf der Fahrt durch Österreich gab es keine besonderen Vorkommnisse, keine
Pausen. Kaum auf italienischem Boden, sollte sich das aber rasch ändern.
Durch eine Autobahnbaustelle ist nur eine Fahrspur zu befahren. Der italienische
Transporter, hinter dem ein Tierrechtsfahrzeug herfährt, bleibt plötzlich
stehen, mitten auf der Autobahn, mitten in der einzigen Fahrspur. Er schaltet
den Rückwärtsgang ein und fährt direkt auf das hinter ihm stehengebliebene
Auto zu. Geistesgegenwärtig fährt auch dieses Fahrzeug zurück und kann so
einen Zusammenstoss vermeiden. Dahinter kommt bereits ein Auto eines Passanten
daher, das auch zum Abbremsen gezwungen wird. Der Transporter schiebt weiter
zurück, das Tierrechtsauto ist praktisch eingeklemmt. Da weicht es zwischen
die Befestigungen der Baustelle aus, und der Stoß des Tiertransporters geht
ins Leere. Da jetzt das Auto des Passanten direkt hinter dem Tiertransporter
zu stehen gekommen ist, bleibt den Fahrern des Transporters nichts anderes
über, als weiterzufahren.
Dienstag, 1:30 Uhr.
Der Tiertransporter versucht die Tierrechtsfahrzeuge, die ihm folgen, dadurch
abzuschütteln, dass er unvermittelt auf einen Autobahnparkplatz fährt. Dort
bleibt er auf der Fahrbahn stehen. Wieder fährt er im Rückwärtsgang auf
das ihm folgende Auto zu. Zwischen lauter LKWs, die dort geparkt sind, ist
es gar nicht so leicht den Rammversuchen des Tiertransporters zu entkommen.
Dann fährt dieser aber wieder auf die 2-spurige Autobahn, um dort, mitten
auf der ersten Spur einfach stehen zu bleiben, mitten in der Nacht. Das
Tierrechtsauto fährt daran vorbei und wartet wenige hundert Meter weiter
auf einem Parkplatz, in Sichtweite des Transporters.
Gut 20 Minuten später erscheint ein Polizeiauto. Offenbar ist dieses von den Fahrern des Tiertransporters gerufen worden. Der Transporter setzt sich wieder in Bewegung, dicht dahinter die Polizei. Eines der mehreren Tierrechtsfahrzeuge, die dem Kälbertransport folgen, schließt sich dem Konvoi an. Bei der nächsten Abfahrt fährt der Tiertransporter ab, gefolgt von Polizei und Tierrechtsauto. Plötzlich bleibt der Transporter stehen und rennt auf das Tierrechtsauto zu. 2 Polizisten springen aus dem Polizeiauto. Mit gezogenen Waffen stellen sie sich neben das Tierrechtsauto und fordern den Fahrer auf, herauszukommen. Neben seinem Wagen hält ihm einer der Polizisten die Pistole an den Kopf und redet auf italienisch. Der Tierrechtler versucht es auf deutsch und englisch, um dann mit den Worten „Journalisti – Transporti Animali – Investigatione“ die Sache zu erklären. Dabei zeigt er seinen Presseausweis. Die Polizei beruhigt sich. Offenbar hatte ihnen der Tiertransportfahrer eine ganz andere Geschichte erzählt. Dennoch kontrollieren die Beamten alle Ausweise der MitfahrerInnen und lassen die Daten am Computer abfragen. Nach 15 Minuten können die TierrechtlerInnen unbehelligt weiterfahren.
Die Fahrer des Tiertransporters waren unterdessen wieder in ihren LKW gesprungen und sofort losgefahren, offenbar in der Hoffnung so ihre VerfolgerInnen abschütteln zu können. Doch die Tierrechtsseite war gut organisiert, ein weiteres Tierrechtsauto konnte sofort den Tiertransporter lokalisieren und auf den Landstrassen auf seiner Spur bleiben.
Dienstag, 3 Uhr früh.
Die Kälber, die in Ostösterreich als erste eingesammelt wurden, sind bereits
24 Stunden unterwegs. Der Tiertransporter kommt in Bozen an und stellt sich
auf den Parkplatz der Sammelstelle für Kälber am Ritten. Dort legen sich
die beiden Fahrer des Tiertransporters, die übrigens mit den 2 Personen,
die in Bergheim die fotografierenden TierrechtsaktivistInnen mit Stöcken
angegriffen haben, identisch sind, in ihre bequemen Betten im Fahrzeug.
Die Kälber müssen unterdessen die Nacht praktisch stehend und dicht gedrängt
im offenen LKW verbringen. 2 TierrechtlerInnen filmen die Zustände heimlich,
still und leise, während die aggressiven Fahrer nur wenige Meter von ihnen
entfernt schlafen, ohne irgendetwas davon zu merken.
Dienstag, 9 Uhr.
Die Kälber werden von den Langstreckentransportern entladen und auf zwei
kleinere Transportfahrzeuge getrieben. Sie schreien noch immer, ununterbrochen.
Die beiden Fahrzeuge machen sich auf den Weg in den Süden. Beide werden
dabei von Tierrechtsfahrzeugen verfolgt. Sie fahren auf die Autobahn und
verlassen Südtirol durch die Salurner Klause. Der eine fährt dann nach Vicenza,
der andere nach Verona. Den TierrechtlerInnen gelingt es auf der Fahrt Fotos
der Kälber zu machen und nachzuweisen, dass es dieselben Kälber sind, die
30 Stunden früher in Ostösterreich auf die Transporter verladen wurden.
Der Fahrer droht aus dem Fenster, hupt und bremst abrupt, um das Fotografieren
zu verhindern.
Dienstag, 13 Uhr.
Einer der Tiertransporter fährt „Verona Nord“ ab. Dort wartet schon die
Polizei, offenbar wiederum von dem Fahrer „zu Hilfe“ gerufen. Wiederum werden
die TierrechtlerInnen sehr aggressiv aufgehalten und kontrolliert. Als allerdings
den Beamten erklärt wird, dass es sich um Tierschutz handelt, geben auch
diese zu, dass da einiges im Argen liegt und sind wesentlich freundlicher.
Der Tiertransporter ist unterdessen weitergefahren – und wieder gelang es einem versteckt wartenden Tierrechtsfahrzeug, sich ihm an die Fersen zu heften. Es geht in die Kleinstadt Lugagnano, und dort kreuz und quer, offenbar um die neuen VerfolgerInnen abzuschütteln. Wiederum stoppt der Transporter unvermittelt mitten auf der Strasse und stößt rasch zurück, aber die TierrechtlerInnen können ausweichen. Letztendlich fährt der Transporter auf eine Tierfabrik zu.
Dienstag, 14 Uhr.
Nach 35 Stunden Fahrt werden die erschöpften Kälber aus dem Tiertransporter
geladen. Trotzdem schreien sie noch unaufhörlich. Die TierrechtlerInnen
schauen sich nach der Verladung die Tierfabrik von innen an. Und was sie
sehen ist nahezu unfassbar. Die ganz jungen Tierkinder sind dort praktisch
im Dunkeln an ganz kurzen Ketten angehängt. Sie stehen auf Vollspaltenböden
ohne jegliches Stroh und keiner Einstreu. Zwischen den Kälbern sind Wände
eingezogen, die sie sargähnlich einklemmen, sodass sie sich auch nicht umdrehen
könnten, wenn sie nicht angekettet wären. Vor ihnen ist ein Loch in der
Wand, durch das sie den Kopf durchstecken müssen. Dahinter steht ein roter
Kübel, in dem ihnen ein sogenannter „Milchaustauscher“ als Nahrung geboten
wird. In den nächsten Wochen werden sie nur eisenarme, flüssige Nahrung
erhalten, sodass ihr Pansen verkümmert und ihr Fleisch weiß bleibt. Dann
werden sie geschlachtet, um den Gourmets weißes Kalbfleisch zu bieten –
das Fleisch von Tierkindern, die nach der Geburt von ihren Müttern getrennt
wurden, die 35 Stunden lang transportiert wurden, die dann noch wochenlang
in enge Kälberboxen gekettet und vorsätzlich falsch ernährt wurden, um Eisenanämie
zu bekommen, bevor sie brutal zum Schlachthof gezerrt und geschlachtet werden.
Mahlzeit!
Diese Kälberhaltung ist bereits seit geraumer Zeit in der gesamten EU verboten. Der VGT hat die filmischen Beweise italienischen TierrechtlerInnen übergeben, damit sie diese Tierfabrik anzeigen können. Zusätzlich wurden alle gewalttätigen Übergriffe gegen AktivistInnen dokumentiert und bei den zuständigen Behörden ebenfalls zur Anzeige gebracht.