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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (19.06.2008)

Wien, am 19.06.2008

Aus Operation Spring nicht gelernt?

Dipl.-Ing. Elmar V., einer der 10 inhaftierten TierrechtsaktivistInnen schreibt seine Gedanken nieder

Ich gehöre zu jenen 10 TierrechtlerInnen, die vor knapp 3 Wochen nach 23 überfallsartigen Hausdurchsuchungen in ganz Österreich völlig unerwartet festgenommen wurden:

Am Mittwoch den 21. Mai kurz vor 6 Uhr treten vermummte WEGA-Polizisten die Tür meiner Wohnung ein und wecken mich durch Geschrei und auf mich gerichtete Sturmgewehre.
Sofort wird mir das Handy entrissen und mindestens 20 zivile PolizistInnen beginnen die Wohnung, den Keller und das Auto auf den Kopf zu stellen.
Ich stehe vollkommen unter Schock. Dass die Hausdurchsuchung auf meinen Wunsch erst nach Eintreffen einer Vertrauensperson beginnen dürfte, wird mir nicht gesagt. Ich kann auch nicht überprüfen, welche Gegenstände tatsächlich aus der Wohnung stammen oder ob mir die Polizei etwas unterschiebt.

Noch denke ich an einen Irrtum und gehe davon aus in wenigen Stunden wieder ganz regulär in meiner Arbeit zu erscheinen.

Einzig die Empfehlung eines Beamten, ich solle doch ein Buch mitnehmen, irritiert. Ich schnappe mir schnell das nächstbeste aus dem Regal. Dieses Buch soll für die nächsten Wochen noch bezeichnend werden: Kafkas „Prozess“.
Erst viele Stunden und offizielle und inoffizielle Verhöre später komme ich im Anhalteknast Wien- Rossauer Lände erstmal mit klarem Kopf dazu, die gegen mich angewandten Hausdurchsuchungs- und Haftbefehle zu lesen:
Dort findet sich – recht allgemein gehalten – ein Verweis auf Dutzende von Straftaten die seit 1997 offenbar von – nicht namentlich genannten – „Personen aus der militanten Tierrechtsszene“ durchgeführt wurden. Darunter sollen beispielsweise Buttersäureanschläge gegen Pelzgeschäfte fallen.

Da die nicht genannten TäterInnen aber offenbar BekennerInnenschreiben unter dem Namen A.L.F. (Animal Liberation Front), etc abgeschickt haben, werden die Straftaten einer „kriminellen Organisation“ (§278a StGB) zugeordnet.

„Daher“ – so heißt es am Ende des Haftbefehls fälschlicherweise – läge gegen mich der Verdacht der „kriminellen Organisation“ vor. Ohne jedes konkrete Indiz, ohne jeden Beweis – so schnell kommt man also hierzulande ins Gefängnis.
Theoretisch müsste der Verteidigung mit dem Zeitpunkt der Festnahme „vollständige und umfassende“ Einsicht in die zu Grunde liegenden Akten gewährt werden:
Den „Glücklichen“ unter uns wurden erst nach 2 Tagen 25% (!) des Aktes ausgehändigt, anderen noch viel später.

In diesen 1000 Seiten kommt mein Name exakt einmal vor: völlig zusammenhanglos als Zeichenfolge nach der auf einem beschlagnahmten PC gesucht werden soll.

Nach 3 Tagen Gefängnis wird Untersuchungshaft verhängt. Es bestehe „Verdunkelungsgefahr“; ich habe keine Ahnung, was ich „verdunkeln“ könnte. Allerdings scheint es bei mir um „Datenverschlüsselung“ zu gehen.

Aus Verzweiflung und Protest gegen die meinem Empfinden nach völlig ungerechtfertigten Maßnahmen trete ich einen weiteren Tag später in den Hungerstreik. Selbst die Internationale Menschrechtskonvention fordert für Festnahmen „einen sich aus konkreten Fakten ergebenden hinreichend dringenden Tatverdacht“.

8 Tage nach den Festnahmen erhalten wir wieder nur einen kleinen weiteren Teil des Aktes. Aber immerhin aus 3 inhaltlich überwachten Telefongesprächen in denen ich allgemein über Datenverschlüsselung philosophiere folgern Staatsanwaltschaft und U-Richterin anscheinend, dass ich der „EDV Experte“ der „kriminellen Organisation“ A.L.F. sein soll.
Wie „Herr K.“ in seinem „Prozess“ weiß auch ich nach wie vor nicht, was ich nun eigentlich konkret verbrochen haben soll!

Meine mittlerweile schwindenden Hoffnungen, dass es hier um Wahrheitsfindung oder gar um Gerechtigkeit geht, werden nach 17 Tagen isolierter Einzelhaft und 12 Tagen Hungerstreik endgültig zerstört:

Bei der Haftverhandlung am 6. Juni geht es nicht um Argumente oder Fakten: Das Gericht zeigt sich von unseren doch recht einleuchtenden Einwänden (Unverhältnismäßigkeit, komplett fehlender Tatverdacht) nicht nur unbeeindruckt sondern kommentiert diese mit keinem einzigen Wort. Die – theoretisch – unabhängige Richterin unterzeichnet die offenbar bereits vorher feststehenden und ausgedruckten Beschlüsse zur weiteren Verlängerung der U-Haft.

Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist nun ultimativ dahin. Meine Anstellung vermutlich auch.

Emotional aber auch formal betrachtet scheint mir der Hungerstreik berechtigter als je zuvor.

Alle 10 von uns fürchten, dass Österreich aus „Operation Spring“ (1999) nichts gelernt hat…

DI Elmar Völkl

 

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