Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (30.11.2009)
Wien, am 30.11.2009Tierschützer in England nach 16 Monaten U-Haft wegen krimineller Organisation freigesprochen!
Jäger-Richter hatte für legale Protesthandlungen in erster Instanz 4 ½ Jahre Haft verhängt – Vergleich mit Österreich stimmt nachdenklich
Nur 2 Wochen vor dem „großen Zugriff“ der SOKO gegen den Tierschutz im Mai 2008 in Österreich hatte es auch Hausdurchsuchungen in England gegeben. Unter dem Namen „Operation Tornado“ wurden die Wohnungen von 6 TierschutzaktivistInnen durchsucht, weil man sie verdächtigte, eine kriminelle Organisation zu unterstützen. In England gibt es dafür, so wie §278a StGB in Österreich, den Serious Organized Crime and Police Act 2005, kurz SOCPA genannt.
Im Verfahren erster Instanz in Coventry, das bereits im Juni 2008 stattfand und 18 Wochen gedauert hat, wurden, auch ähnlich wie in der österreichischen Tierschutzcausa, hauptsächlich Internetdiskussionsbeiträge und Email-Kommunikationen vorgelegt, um eine radikal-subversive Einstellung der Beschuldigten zu behaupten. Aus diesen Schriftstücken war ersichtlich, dass der Hauptbeschuldigte Sean Kirtley immer wieder legale Demonstrationen gegen eine Pharmafirma organisiert hatte und eine Kampagnenwebseite gegen diese Firma betrieb (http://sequani.wordpress.com/). In der Kampagne gegen ist es zu keinerlei kriminellen Handlungen gekommen. Dennoch sah der Richter, der auch Jäger ist, im Verhalten von Sean Kirtley das Tatbild der Unterstützung einer kriminellen Organisation verwirklicht und verurteilte ihn zu 4 ½ von maximal möglichen 5 Jahren Haft. Sean Kirtley wurde bis zur Berufungsverhandlung in U-Haft genommen, die anderen 5 Angeklagten gingen frei.
Jetzt, 16 Monate später, sah das Berufungsgericht keinen Grund, hinter den legalen Kampagnenaktivitäten von Sean Kirtley eine kriminelle Organisation zu vermuten. Er wurde sofort aus der U-Haft entlassen und brachte umgehend eine Klage gegen den Staat ein, um für die ungerechtfertigte Misshandlung und Haft Schadenersatz zu bekommen.
VGT-Obmann DDr. Martin Balluch kommentiert:
„Offensichtlich versucht nicht nur in Österreich
eine mächtige Clique von JägerInnen mit Verbindungen
zur Tierfabriks- und Pharmaindustrie lästige
TierschützerInnen mit dem Vorwurf einer kriminellen
Organisation loszuwerden. Man sieht auch an
diesem Fall, dass ein Jäger als Richter für
ein Tierschutzverfahren nicht tragbar ist. Auf
der anderen Seite wird durch dieses Ergebnis
in England einmal mehr deutlich, dass der Vorwurf
der Bildung einer kriminellen Organisation aufgrund
von legalen Tierschutzkampagnen nicht nur mit
einer rechtsstaatlichen Demokratie unvereinbar
ist, er ist auch schlicht falsch. Es fragt sich
nur, ob die österreichische Richterschaft genügend
Rückgrat besitzt, ebenfalls einen Freispruch
auszusprechen, auch wenn damit gut 17 RichterInnen
des LG Wr. Neustadt, die bereits Ermittlungsmaßnahmen
in der Tierschutzcausa gutgeheißen haben, dem
Wiener OLG und dem OGH, die die U-Haft für verhältnismäßig
erklärt haben, widersprochen werden müsste.“