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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (20.05.2011)

Wien, am 20.05.2011

Veranstaltung "Tierschutz in der Zuchtsauenhaltung"

Auch der VGT-Obmann war als Podiumsteilnehmer zu der von der Landwirtschaftskammer organisierten ganztägigen Veranstaltung an der veterinärmedizinischen Universität Wien eingeladen

Nach der vom VGT organisierten Diskussionsveranstaltung zum Kastenstandverbot am 2. Mai, folgte am 17. Mai sozusagen das „Rückspiel“, der von der Landwirtschaftskammer organisierte Event. Auch diese Veranstaltung wurde sehr fair moderiert und man war von allen Seiten an einer ernsthaften Diskussion interessiert. Etwa 400 Schweinebauern und –bäuerinnen und vielleicht 30 TierschützerInnen nahmen an der Veranstaltung teil. Der Festsaal der Veterinärmedizinischen Universität war bis zum Bersten gefüllt. Trotzdem die Atmosphäre zwar zeitweise emotional wurde, blieb die konstruktive Stimmung erhalten. Alle warten nun gespannt auf den Kompromiss, den das Landwirtschaftsministerium mit dem Gesundheitsministerium ausarbeiten soll. Die Gespräche werden Ende Mai beginnen.

Die Vortragsreihe eröffnete Prof. Dr. Gerhard Aigner, zuständiger Sektionschef vom Gesundheitsministerium

Er legte den von der Volksanwaltschaft eingemahnten Widerspruch zwischen den Bestimmungen im Tierschutzgesetz und der Zulassung von Kastenständen in der Schweinehaltungsverordnung dar. Verordnungen müssten zwar auf ökonomische Auswirkungen „Bedacht nehmen“, aber das würde nicht mit „Rücksichtnahme“ gleichzusetzen sein und gelte daher nur in Grenzen. Der Kastenstand, so Prof. Aigner, sei tatsächlich sehr klein, er sei enger als sein Schreibtisch und das habe ihn beeindruckt. Es habe Gutachten von Prof. Troxler und Prof. Winckler gegeben, die beide festgestellt hätten, dass Kastenstände den physiologischen und ethologischen Bedürfnissen der Mutterschweine nicht entsprechen, wie es das Tierschutzgesetz aber vorschreibt. Nach ihrer Missstandsfeststellung habe die Volksanwaltschaft ein Totalverbot von Kastenständen gefordert. Das Gesundheitsministerium habe deshalb eine neue Verordnung erarbeitet, nach der die weiblichen Schweine in der Leerzeit und der Zeit des Deckens 15 Tage lang, und für die Geburt nur bei aggressivem Verhalten und bei Gliedmaßenproblemen bis zu 5 Tage lang, im Kastenstand gehalten werden dürften. Als Zeithorizont für eine Entscheidung über die Verordnung sei die Zeit bis Herbst 2011 vorgesehen.

Anschließend ergriff Ministerialrat DI Dr. Konrad Blaas vom Landwirtschaftsministerium das Wort

Er sprach über die EU-Mindestrichtlinien in der Mutterschweinehaltung. 1996 habe die EU ein Anbindehaltungsverbot beschlossen, das 2006 in Kraft getreten sei. Dann sei 2003 die Gruppenhaltung von weiblichen Schweinen während der Zeit des Deckens außer den ersten 4 Wochen festgelegt worden, die 2013 in Kraft trete. Kastenstände würden dabei nicht erwähnt. Es gebe ein Verbot von Abferkelgittern innerhalb der EU nur in Schweden und keine breite Diskussion darüber. In Schweden, England und Holland seien Kastenstände in der Zeit des Deckens verboten. Das sei aber schon vor 2001 dort beschlossen worden. In Dänemark gebe es eine Diskussion über Kastenstände und man werde dort vielleicht Holland folgen, aber mit 10 jähriger Übergangsfrist. Außerhalb der EU in Europa gebe es Verbote von Abferkelgittern in der Schweiz und in Norwegen. 2007 sei ein EFSA-Bericht namhafter WissenschaftlerInnen für die EU-Kommission geschrieben worden, laut dem der Kastenstand die weiblichen Schweine schwer belaste. Das Erdrücken der Ferkel sei zwar ohne Kastenstand höher, aber insgesamt würden die Kastenstandhaltung und die Haltung in freien Abferkelbuchten die gleichen Ferkelverluste zeigen.

Vor der Mittagspause sprach noch Prof. Dr. Josef Troxler vom Institut für Tierschutz und Tierhaltung der veterinärmedizinischen Universität Wien

Er machte deutlich, woran man erkenne, dass eine Haltung nicht tiergerecht sei, weil die Tiere überfordert seien und sich an ihre Umgebung nicht anpassen könnten. Kastenstände seien 1960 zur Platzersparnis eingeführt worden, sie würden aber die Bewegungsfreiheit der Schweine stark einschränken, auch die Länge sei zu kurz, der Kopf liege unter dem Futtertrog. Mit Kastenstand würde der Stress der Schweine ansteigen, es gebe mehr lebensschwache Ferkel und eine höhere MMA-Krankheitsrate. Dann zeigte Prof. Troxler eine Reihe von Studien, die Ferkelverlustraten bei Kastenständen in den Abferkelbuchten mit jenen in freien Buchten verglichen. Bei 10 Studien sei die Ferkelsterblichkeit gleich, einmal würden in den freien Buchten weniger sterben und 4 Mal in den Kastenständen. Wenn man allerdings nur freie Buchten mit einer Grundfläche von mehr als 5m² zulasse, dann würden praktisch nur noch gleiche Ferkelverlustraten herauskommen. Zuletzt meinte Prof. Troxler, dass er sich sicher sei, dass in 20 Jahren keine Diskussion über Kastenstände mehr notwendig sein wird, weil es keine mehr geben werde.

Nach der Mittagspause sprach der Direktor des Schweizer Bundesamtes für Veterinärwesen, Prof. Dr. Hans Wyss, über seine über 30 Jahre langen Erfahrungen mit freien Abferkelbuchten in der Schweiz

Österreich müsse sich jetzt überlegen, wo es 2025 stehen wolle. Die Jugend würde zunehmend tierschutzsensibel werden, man müsse sich dieser Herausforderung stellen. In der Schweiz habe es einen breiten Konsens zwischen KonsumentInnen, dem Tierschutz und den Schweinebetrieben für ein Kastenstandverbot gegeben. Seitdem das Verbot in Kraft sei, würde die Anzahl der Schweinebetriebe in der Schweiz viel langsamer zurückgehen, als in Österreich. Die Schweiz habe etwa 95% Selbstversorgung von Schweinefleisch. Das Schweizer Tierschutzgesetz schreibe vor, dass immer jene Haltung von Nutztieren zu wählen sei, die einerseits für die Tiere besser sei und andererseits wissenschaftlich möglich. Deshalb habe man Kastenstände verbieten müssen. Bei In-Kraft-Treten des Gesetzes 1997 habe man eine 25 jährige Abschreibungsfrist für bereits getätigte Umbauten ermöglicht. 2002 und 2003 habe man die Ferkelsterblichkeit erhoben und dabei gefunden, dass bei Kastenständen und freier Buchtenhaltung gleich viele Ferkel sterben würden. Die Zunahme der Ferkelsterblichkeit in den letzten Jahren, die in allen Ländern beobachtet werde, gehe auf die Zunahme der Anzahl der Ferkel pro Wurf zurück. Aufgrund entsprechender staatlicher Förderung würden bereits 50% der Schweine in der Schweiz einen Auslauf haben und 67% hätten Mehrflächenbuchten statt Vollspaltenböden. Zuletzt meinte Prof. Wyss, man solle den Kastenstand nicht als Ferkelschutzkorb bezeichnen, sondern bitte ehrlich bleiben.

Danach sprach Prof. Dr. Steffen Hoy von der Universität Gießen in Deutschland

Er erklärte, dass es in Deutschland keine Diskussion über die Abschaffung von Kastenständen für die Geburts- und Säugephase gebe. Vielmehr würde man über die von der EU geforderte Einschränkung der Kastenstandhaltung in der Deckzeit diskutieren. Dazu präsentierte Prof. Hoy seine eigenen Forschungsergebnisse und sagte, die Gruppenhaltung von Mutterschweinen ab dem Zeitpunkt des Absetzens ihrer Kinder bis zur nächsten Geburt würde ohne gravierende Folgen bleiben, weil die anfänglichen Rangkämpfe dann zu einem Zeitpunkt stattfänden, an dem die Tiere noch nicht schwanger sind. Zu Abferkelgittern hatte Hoy keine eigenen Forschungen durchgeführt, zitierte aber Studien aus den USA, wonach die Ferkelverluste ohne Kastenstand höher seien. Ihm seien die Ferkel und die noch ungeborenen Ferkel das tierschutzethische Hauptanliegen. Deshalb müsse man eben die Mütter in den Kastenstand sperren, um zu erreichen, dass sie laufend viele Ferkel gebärt. Ein nationaler Alleingang Österreichs sei nicht zu vertreten. Prof. Hoy bestand darauf, den Kastenstand einen Ferkelschutzkorb zu nennen.

Den Reigen der Vortragenden schloss DI Franz Hunger von der Landwirtschaftskammer Oberösterreich

Er rechnete angebliche Verluste eines Modellbetriebs mit 98 Zuchtschweinen vor, der in einen neuen Deckstall und einen neuen Ferkelaufzuchtstall investiert hatte. Würde nun ein Kastenstandverbot kommen, so DI Hunger, dann würden die höheren Investitionskosten € 3,48 pro Ferkel betragen, die höheren Energiekosten € 0,58 pro Ferkel und die höheren Arbeitskosten €3,62 pro Ferkel. Insgesamt gebe es einen Einnahmensverlust von 40-70%. Allerdings, so schränkte DI Hunger ein, dürfe man bei echter Tierquälerei keine ökonomischen Rechnungen anstellen. Da er dennoch solche Rechnungen hier angestellt hatte, hielt er offenbar Kastenstände für keine Tierquälerei. Allerdings ließ DI Hunger explizit offen, ob man zu Kastenständen Ferkelschutzkörbe sagen wolle oder nicht.

In der anschließenden Podiumsdiskussion kamen viele Personen zu Wort, darunter auch ausgiebig der VGT-Obmann DDr. Martin Balluch

Er wies darauf hin, dass Prof. Hoys Forschungsergebnisse eine Verschärfung der Vorschriften des neuen Verordnungsentwurfs bedeuten würden. Man müsse den Kastenstand in der Leerzeit und der Deckzeit vollständig verbieten, nicht auf 15 Tage einschränken. Zum Abferkelgitter wies DDr. Balluch darauf hin, dass die Kombisysteme mit einem Abferkelgitter nur in den ersten drei für das Erdrücken kritischen Tagen nach der Geburt die geringste Ferkelsterblichkeit aller Haltungssysteme aufweisen würden. Diese Systeme würden den Vorteil des Kastenstands in den ersten 3 Tagen nach der Geburt mit dem Vorteil der freien Bucht, weniger Kümmerer und lebensschwache Ferkel zu haben, kombinieren. Wenn man also die wissenschaftliche Erkenntnis, die aus dieser Veranstaltung gezogen werden müsse, einer neuen Verordnung zugrunde legen würde, dann müsse die vorliegende Verordnung des Gesundheitsministeriums zumindest um ein Verbot der Kastenstandhaltung in der Leerzeit und der Deckzeit nachgebessert werden.

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