Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (11.12.2023)
Österreich, am 11.12.2023Der Goldschakal unter Beschuss
Von der natürlichen Ausbreitung einer Art
Der eineinhalb Jahre alte Goldschakal Maj
ist auf dem Weg nach Salzburg. Während der Winter in Österreich Einzug hält, treibt Maj die Suche nach einem eigenen Revier und einer Partnerin voran. Bereits mehr als 1000km und mehrere 2000m hohe Berge hat er hinter sich gebracht. Maj
ist der erste GPS- besenderte Goldschakal auf internationaler Reise. Am 21. Juni 2023 wurde er im Rahmen eines Forschungsprojekts der Universität Ljubljana in Slowenien mit einem Sendehalsband versehen.
Bioakustisches Monitoring
Seit Oktober 2015 läuft auch in Österreich ein Projekt zur Erforschung dieser sehr scheuen Tiere am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur in Wien. Dr. Jennifer Hatlauf und ihr Team arbeiten mit akustischer Stimulation (bioakustisches Monitoring), Wildkameras, Artenspürhunden und citizen science. Im Rahmen des bioakustischen Monitorings wird das Geheul von Canis aureus mit Lautsprechern in Zielarealen abgespielt. Dadurch lässt sich die Präsenz der Tiere ermitteln, nicht jedoch zum Beispiel eine Familienzugehörigkeit. Auch in der Auswertung von Daten, die die Bevölkerung liefert (citizen science), stößt man an Grenzen. Der Goldschakal ist mit 44- 50cm Schulterhöhe ein kleinerer Vertreter der Familie der Hunde. Seine Körperlänge beträgt bis 105cm, bei einem Gewicht von ca. 11kg. Charakteristisch sind sein schwarzer, relativ kurzer Schwanz, das goldfarbene Fell an Rücken und Füßen und ein weißes Dreieck am Hals. Dennoch wird der Goldschakal gerne mit Füchsen, Hunden und Wölfen verwechselt.
Thema Nutztierrisse
Der Nahrungserwerb des Goldschakals ähnelt ebenfalls dem des Fuchses. Die Spezies ist generalistisch, opportunistisch an einige Habitate (eher offene Landschaften) und die verfügbaren Ressourcen optimal angepasst. Neben menschlichen Abfällen, pflanzlichen Nahrungsquellen (23%), sowie kleinen und mittelgroßen Beutetieren wie Mäusen und Ratten ernährt sich der Goldschakal auch von Aas. Sehr vereinzelt wird von Angriffen auf landwirtschaftlich genutzte Tiere berichtet. Bei näherer Betrachtung handelt es sich dabei oft um das Essen von Schlachtabfällen, Aufbruch (Eingeweide eines von Jäger:innen getöteten Wildtieres) oder bereits gerissenen Tieren (Nachnutzung). Selten und hauptsächlich in den Herbst- und Wintermonaten werden lebende Tiere, die immer entweder jung, krank oder alt sind, erbeutet.
Unterschiedlicher Rechtsstatus in Österreich
Aktuell erleichtern erneut Gesetzesänderungen die Jagd auf große Beutegreifer, wie auch den Goldschakal. Der Klimawandel, die geringe Populationsdichte des Wolfes und die Entwicklung der Kulturlandschaft dürften hauptverantwortlich für die Wanderbewegungen des aus Asien und dem Balkan stammenden Tieres Richtung Westen sein. Bemerkenswert am Goldschakal ist, dass er sich von selbst über Europa ausbreitet. Aus dem Jahr 2009 ist die letzte dokumentierte Reproduktion des Goldschakals im Gebiet des Neusiedler Sees bekannt. Viele Fragestellungen zur zukünftigen Verbreitung, Entwicklung und Verhaltensweisen der Spezies haben noch Forschungsbedarf. Umso erstaunlicher ist der unterschiedliche Schutzstatus, den die neun Bundesländer der in Anhang V der Fauna- Flora- Habitat- Richtlinie (FFH- RL) erfassten Art, zusprechen. Sobald Maj Salzburg erreicht hat, ist er vorerst sicher. In Kärnten hätte er legal erschossen werden können. Es bleibt zu hoffen, dass er nicht nach Oberösterreich weiterzieht – dort wäre er wieder in Gefahr.
Bejagung der monogam lebenden Art
In Österreich entwickelt sich die Population langsam. Dennoch sehen manche Jäger:innen im Goldschakal schon jetzt einen Konkurrenten um die Jagdbeute. Die Abschüsse in Österreich verwundern daher nicht. Streckenzahlen der Jagd aus Ungarn, wo die Jagd auf Goldschakale im ganzen Land erlaubt ist, listen über 10 000 Individuen!1 Ein Massaker sondergleichen. Jagd hilft nicht, ein Tier, das sich bereits angesiedelt hat, zu vertreiben. Wissenschaftliche Studien beweisen, dass der Bejagungsdruck sogar zu einer Zunahme der Nachkommenschaft führt.2 Anhand der Abschusszahlen aus Ungarn kann man auch erkennen, dass der Goldschakal derzeit trotz seines vermehrten Vorkommens die ungarischen Schalenwildbestände nicht gefährdet.4 Statt auf die Bejagung zu setzen, schränken Länder wie Israel anthropogene Nahrungsressourcen ein- mit Erfolg. Managementmaßnahmen wie die Unterschutzstellung einer Art, die Veränderung von Ressourcen und Vergrämungsmaßnahmen sollten aus tierethischen, ökologischen und rechtlichen Gesichtspunkten bevorzugt werden.
Ökologische Auswirkungen
Als Teil eines Ökosystems, das sich im ständigen Wandel befindet, spielt der Goldschakal eine wichtige Rolle. Die Änderungen von Artenzusammensetzungen sind ein natürlicher Prozess innerhalb eines hoch komplexen Systems von intra- und interspezifischen Wechselwirkungen. So lässt sich auch auf die Sorge von Artenschützer:innen um das Wohl von Bodenbrütern keine allgemein gültige Antwort geben. Einerseits kann der Einfluss auf Bodenbrüter gleich bleiben, wenn der Goldschakal den Fuchs teilweise verdrängt. Andererseits kann, wenn die Fuchsdichte durch die Bejagung sehr niedrig gehalten wird, der Goldschakal eine Auswirkung auf die Bodenbrüter haben. Laut Hatlauf, Trouwborst & Hackländer (2021) gibt es keine wissenschaftlichen Hinweise auf negative ökologische Auswirkungen des Goldschakals.
Von einem gesunden Goldschakal geht keine Gefahr für den Menschen aus. Das sehr scheue und zurückgezogen lebende Tier weicht auch vor Hunden und dem Wolf aus. Hoffen wir, dass Maj und seine Artgenoss:innen unbejagt und unbeschadet über alle Schienen und Straßen hinweg ihren Weg fortsetzen!
Für ein neues, einheitliches Bundesjagdgesetz unterschreibt bitte das Volksbegehren vgt.at/Bundesjagdgesetz!
Quellen
- Den Goldschakal zieht es nach Deutschland [05.12.23, 17:10]
- Hatlauf, J; Bayer, K; Trouwborst, A; Hacklander, K: New rules or old concepts? The golden jackal (Canis aureus) and its legal status in Central Europe. EUR J WILDLIFE RES. 2021; 67(2), 25, 2021
- Bryan, H.M., Smits, J.E.G., Koren, L. et al (2015): Heavily hunted wolves have higher stress and reproductive steroids than wolves with lower hunting pressure. Funct Ecol, 29, S. 347-356.
- Der Goldschakal – Daten und Fakten [05.12.23, 17:00]