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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (24.05.2007)

Gedanken zur Polizeirepression

Polizeirepression, Polizeistaat. Derartige Vorhaltungen klingen fast kindisch in der heutigen Welt. Es ist also alles in bester Ordnung. Das Polizeisystem hat sich etabliert und funktioniert. Oder doch nicht?

Wien, am 24. Mai 2007

DDr. Martin Balluch

Polizeirepression, Polizeistaat. Derartige Vorhaltungen klingen fast kindisch in der heutigen Welt. Assoziationen mit gröhlenden Straßenrowdies, die sich über die Polizei beschweren, weil sie sie nicht gröhlen und randalieren lässt, kommen vielleicht auf. Sogenannte NormalbürgerInnen werden mit Polizeirepression kaum konfrontiert. Vielleicht ärgern sie sich einmal über einen Polizisten, der sie mit einer gewissen Arroganz bestraft, weil sie noch bei orange über die Kreuzung gefahren sind.

Demonstrationsfreiheit scheint dem oberflächlichen Beobachter unverändert zu existieren. Immerhin sieht man ja immer wieder Demonstrationen, und die Polizei bleibt dabei weitgehend passiv – außer es gibt Randale. Und die mangelnde Anonymität, die durch Videoüberwachung in U-Bahnen, auf Bahnhöfen oder in Stadtvierteln, und durch Vermummungsverbote bei Demonstrationen, immer mehr zum Alltag wird, kann auch niemanden aufregen. Wozu sich verstecken müssen? Wir leben ja nicht im Kommunismus, bei dem kritische Geister um ihre Sicherheit und Zukunft fürchten müssen?

Es ist also alles in bester Ordnung. Das Polizeisystem hat sich etabliert und funktioniert.
Oder doch nicht?

Auffällig wird Polizeigewalt zunächst einmal bei Fällen individueller Übergriffe durch Beamte. Das Schicksal von Marcus Omofuma oder Seibane Wague, und die erstaunlich geringen Konsequenzen für die betroffenen Beamten, weisen auf Schwächen des Systems hin. Hier gibt es mangelnde Transparenz, mangelnde Kontrolle und mangelnde Sanktionsmöglichkeiten vor Gericht. Alles Bedingungen, die Machtmenschen einen Freibrief ausstellen. Macht korrumpiert und unkontrollierte absolute Macht korrumpiert absolut. RichterInnen, die erst eine Auslese in Richtung Konservativismus und Konformität durchlaufen müssen, bevor sie RichterInnen werden können, glauben bei Zeugenaussagen immer eher PolizistInnen als Betroffenen von Minderheiten oder vermeintlich Kriminellen. Aber von dieser Art Missständen soll hier nicht die Rede sein, sondern von gezielter, geplanter Polizeirepression gegen politische Bewegungen.

Die 1968er Bewegung hat als erste spüren müssen, wie ein verstaubt konservativer Biedermeierstaat auf nonkonformen, außerparlamentarischen Aktivismus reagiert: mit Polizeigewalt, Bespitzelung und sogar Agents Provocateurs, die nicht davor zurückschrecken, provozierte AktivistInnen zu bewaffnen, um sie endlich doch kriminalisieren und mit aller Gewalt bekämpfen zu können. Die neueste Form der Polizeirepression bekommt heute die jüngste aller sozialen Bewegungen, die Tierrechtsbewegung, zu spüren.

Bei allen sozialen Bewegungen zeigt sich dasselbe Phänomen: zuerst wird man ignoriert, dann ausgelacht und zuletzt bekämpft. Voraussetzung für letzteres ist natürlich, dass die soziale Bewegung eine systemändernde Kraft entwickelt haben muss, die das System nicht mehr ignorieren kann, die also schon Änderungen bewirkt. Die Tierrechtsbewegung ist bereits so weit. Spätestens mit dem Bundestierschutzgesetz, und da speziell dem Legebatterieverbot, ist die Wirkung der Tierrechtsbewegung für die etablierte Tierindustrie schmerzhaft geworden. Ein riesiger Industriezweig, durch permanente, außerparlamentarische Kampagnen in die Knie gezwungen. Massive Umstrukturierungen waren die Folge. Die Tierindustrie und die etablierten Mächtigen wollten keine weitere derartige Niederlage einstecken. Es musste etwas geschehen.

Das scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein: Solange irgendwelche Menschen ab und zu laut demonstrieren oder Aktionen des zivilen Ungehorsams setzen, kann man sie ignorieren oder verlachen. Bündeln sie aber diese Aktivitäten zu einer außerparlamentarischen Opposition, die in effektiven Kampagnen reale Änderungen erringt, dann werden sie als „TerroristInnen“ isoliert und kriminalisiert. Der außerparlamentarische Effekt lässt sich aus Sicht der Mächtigen ja nicht anders erklären, als durch „Zwang“, durch politischen Druck, in der Sprache der Mächtigen also durch Terror. Nur innerparlamentarische Entwicklungen würden dem Volkswillen entsprechen. Man wünscht sich ein unmündiges Volk zum Bevormunden.

Gerade in der Tierrechtsbewegung entwickeln sich aber Kampagnen oft außerparlamentarisch nach folgendem Schema. Zunächst wird die Mehrheit der Bevölkerung gewonnen. So waren laut Umfragen z.B. 86% der Bevölkerung gegen Legebatterien. Diese Sympathie und grundsätzliche Zustimmung allein hat aber noch keinen Effekt: gleichzeitig waren nämlich noch über 80% der verkauften Eier aus Legebatterien. Die Mehrheitsmeinung setzt sich in einer repräsentativen (im Gegensatz zu einer direkten) Demokratie noch lange nicht durch. Erst nachdem auf Basis dieser Stimmung im Volk eine konfrontative Kampagne entfaltet worden war, konnten die verantwortlichen PolitikerInnen zum Handeln gezwungen werden. Eigentlich ein demokratiepolitisch völlig unbedenklicher Vorgang, weil so der bereits vorhandene Mehrheitswille zur Geltung kam. Aber ohne Konflikt würden sich die verantwortlichen PolitikerInnen niemals zu so einem Schritt durchringen, viel zu groß wären die Probleme, die ihnen die mächtige Industrie bereiten kann. In undemokratischer Weise, wohl gemerkt! Auch der reichste Industriemagnat hat in einer Demokratie genauso nur eine Stimme wie die arbeitslose Tierrechtsdemonstrantin. Also kein Forschritt ohne gesellschaftlichen Konflikt. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts brachte es Frederick Douglass, selbst entflohener Sklave in den US-amerikanischen Südstaaten und Anti-Sklaverei Aktivist, auf den Punkt: „Power concedes nothing without a demand. It never did and it never will.“

Wir sehen also: außerparlamentarische Bewegungen sind genau dann erfolgreich, wenn sie in den Augen der Mächtigen bereits terroristisch oder, milder ausgedrückt, subversiv sind. Das ist quasi eine Definition. Und dabei wird vorsätzlich übersehen, dass diese Bewegungen – demokratiepolitisch unbedenklich – nur den Volkswillen durchzusetzen helfen. Terrorismus, wie er als Schreckgespenst die bürgerliche Gesellschaft zu allen Konzessionen bzgl. ihrer Grundrechte beflügelt, ist in Wirklichkeit ja etwas ganz anderes. Er setzt physische Gewalt gegen leidensfähige Wesen ein, er zieht nicht Betroffene in diese physische Gewalt mit ein und er hat das definitorische Merkmal, Menschen durch Angst vor Schmerz und Tod zu politischen Zugeständnissen zu bewegen. Vergleichen wir das mit run-ins, sit-ins, Dauerdemos oder Besetzungen, so ist jede Art von Vergleich völlig lachhaft und nur konstruiert. Und trotzdem versucht die Polizei und die Behörde seit den ersten nachhaltigen Erfolgen der Tierrechtsbewegung systematisch die effektivsten Exponenten dieser Bewegung zu kriminalisieren und zu unterdrücken.

Der VGT setzt sich seit 1992 vehement für Tierschutz und Tierrechte ein, vor allem durch Demonstrationen und medienwirksame Aktionen des zivilen Ungehorsams. Seine Aktivitäten waren verantwortlich dafür, dass in Österreich ein international angesehenes Bundestierschutzgesetz geschaffen und das Legebatterieverbot erreicht wurde. Seit dieser Zeit macht sich gezielte politische Polizeirepression bemerkbar.

In den Verfassungsschutzberichten wird der VGT seit 2004 in einer Weise erwähnt, dass er in direkten Zusammenhang mit Terrorismus gebracht wird. Auf die diesbezügliche Beschwerde des VGT hin, wurde die Erwähnung im Bericht 2006 zwar unterlassen. Dafür schrieb das Unterrichtsministerium im September 2005 an alle Schulen Österreichs (bzw. die Landesschulräte zur Weiterleitung), dass der VGT nicht mehr an Schulen eingeladen werden solle, weil er zu radikal sei. Bei einer Anfrage ans Innenministerium auf Basis §26 Datenschutzgesetz 2000, alle personenbezogenen Daten bzgl. des VGT mitzuteilen, wurde u.a. schriftlich bestätigt, dass das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien das Finanzamt im Jahr 2004 veranlasst hat, die Buchhaltung des VGT zu überprüfen.

Aber seit Dezember 2006 hat die Behörde eine Stufe zugelegt. Mit 7. Dezember 2006 wurden dem VGT alle Demonstrationen untersagt. Begründung: es könnte zu Gewalttätigkeiten kommen. Und das, ohne, dass es jemals bei VGT-Demonstrationen zu Gewalttätigkeiten gekommen wäre. Die Grüne Partei hat beim Innenminister diesbezüglich eine Anfrage gestellt. Diese Anfrage wurde vom Innenminister am 20. März beantwortet. Darin behauptet der Minister tatsächlich, der VGT wäre gewalttätig und führt „Beweise“ dafür an, die nachweislich einfach faktisch völlig falsch sind.

Diese faktisch falsche Darstellung des Innenministeriums hat die Sicherheitsdirektion Wien nun übernommen. Sie hat Mitte Mai alle Berufungen des VGT gegen diese Demonstrations-Untersagungen mit derselben faktisch falschen Begründung des Innenministers abgelehnt. Selbst AktivistInnen, die nur Flugblätter gegen Pelz in der Nähe von pelzführenden Geschäften verteilen, wurden bereits festgenommen, so zuletzt am Freitag den 18. Mai 2007 auf der Mariahilferstraße.. Die Versammlungsbehörde in Wien - personell identisch mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung LVT - hat Firmen aufgefordert, Demonstrationen vor ihren Geschäften anzumelden, um VGT-Demonstrationen verhindern zu können.

Zusätzlich haben Beamte des LVT bereits wiederholt den VGT-Obmann bei der Beschattung in primitiver, aggressiver Weise angepöbelt. Weiters schickt die Bundespolizeidirektion dem VGT laufend neue Strafbescheide wegen angeblicher Vergehen, auch wenn diese Lächerlichkeiten betreffen. Der VGT wird regelrecht mit derartigen Strafbescheiden überschwemmt.

Dem VGT soll in dieser Weise schlicht und einfach verunmöglicht werden, in effektiver Form außerparlamentarisch aktiv zu bleiben. Die Polizei versucht ihn zu isolieren und zu kriminalisieren, mit dem offensichtlichen Ziel dadurch noch härtere Maßnahmen wie Hausdurchsuchungen und Vereinsauflösungen vorzubereiten. Die weitere Eskalation der Polizeigewalt ist nur eine Frage der Zeit.

Polizeirepression spürt man erst, wenn man außerparlamentarisch erfolgreich aktiv ist. Die Grundfreiheiten gehen einem nur dann ab, wenn man sie braucht. Es ist daher notwendig, auch von außen als nicht betroffene Person, diese infame Strategie der Polizei und der Behörden zu durchschauen und Solidarität zu zeigen. Der Polizeiapparat hat selbst das längste Vorstrafenregister aller Gruppierungen in der Demokratie. Keine Aussage der Polizei sollte ohne unabhängige Belege für wahr gehalten werden. Der Polizeirepression muss ein Riegel vorgeschoben werden, bevor sie richtig einsetzt – weil dann ist es bereits zu spät!

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