Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (20.01.2008)
Wien, am 20.01.2008Tierversuche im Aufwind
Trotz neuer Alternativmethoden steigt die Zahl der geopferten Tiere
Gemäß einer EU-Richtlinie (mit dem unscheinbaren
Namen 609/86) ist jeder EU-Mitgliedstaat verpflichtet,
im Sinne der so genannten 3R „Reduction, Refinement,
Replacement" (also dem Prinzip von der
Reduktion, Verfeinerung und Ersatz von Tierversuchen)
die Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierexperimenten
zu fördern. Auch § 17 des österreichischen Tierversuchsgesetzes,
das aus dem eigentlichen Tierschutzgesetz ausgelagert
ist, schreibt die Förderung von Ersatzmethoden
zum Tierversuch vor, um eine Verringerung der
Anzahl oder der Belastung der Versuchstiere
zu ermöglichen oder Tierversuche überhaupt entbehrlich
zu machen.
Anzahl der Tierversuche weiterhin steigend
Die Anzahl der Tierversuche in Österreich ist
jedoch weiterhin steigend. 2006 wurden 190.121
Tiere für Versuche verwendet, das sind um 13,6
Prozent mehr als 2005 (167.312). Einiges wird
aber nicht zum Tierversuch gezählt und scheint
daher nicht in diesen Zahlen auf, Beispiel sind
Fütterungsversuche, Tiere, die sich für die
geplanten Versuche als nicht geeignet erweisen
und jene, die vor den Experimenten getötet werden.
Die Zahlen, der als Tierversuche geltenden Handlungen, gestalten sich so:
- 89.467 Tiere für „Produkte und Geräte der Human-, Zahn- und Veterinärmedizin“ verwendet
- 38.569 Tiere für die „Herstellung und Qualitätskontrolle von Produkten und Geräten der Human- und Zahnmedizin“
- 48.681 Tiere für „biologische Untersuchungen im Bereich der Grundlagenforschung“
- 9.595 Tiere für „toxikologische und sonstige Unbedenklichkeitsprüfungen“
Von den insgesamt 190.121 Tierversuchen wurden
143.974 Versuche mit Mäusen, 17.781 mit Kaninchen,
12.435 mit Ratten und 7.732 mit Fischen durchgeführt.
Ferner wurden landwirtschaftliche „Nutztiere"
wie Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen sowie
150 Hunde und 128 Katzen für Versuche verwendet.
Mindestens 12,1 Millionen Versuchstiere
in der EU „verbraucht“
Aus dem „Fünften Bericht“ der EU-Kommission
über Tierversuche, der die statistischen Daten
aus dem Jahr 2005 enthält, geht hervor, dass
mehr als 12,1 Millionen Wirbeltiere herangezogen
wurden. EU-Forschungskommissar räumte zuletzt in einer Rede Anfang November
2007 ein, dass es im Bereich der Tierversuche
Verbesserungsbedarf in der EU gebe. Von 30 alternativen
Testmethoden seien bisher nur acht autorisiert
worden. Auch gebe es bisher in der EU nur drei
Lehrstühle zu alternativen Testmethoden an europäischen
Universitäten.
Existenz von Alternativmethoden vielfach
ignoriert
Der Anstieg der Tierversuche ist umso bedenklicher,
als es immer mehr Alternativmethoden gibt, die
Tierversuche ersetzen oder zumindest die Anzahl
der Versuchstiere und das Leiden derselben reduzieren
können. Der Ersatz von Tierversuchen durch Alternativmethoden
hat nicht nur eine wissenschaftliche und ethische
Relevanz, sondern auch eine wirtschaftliche.
Anerkannte Alternativmethoden sind nicht nur
aussagekräftiger und schneller durchzuführen,
sondern auch wesentlich kostengünstiger als
Tierversuche. Ein besonders wichtiger Schritt
in Richtung Reduzierung von Tierversuchen wäre
auch die Schaffung einer zentralen Tierversuchsdatenbank,
in der alle genehmigten und durchgeführten Tierversuche
erfasst werden und auf die alle zuständigen
Behörden Zugriff haben, um Doppel- und Mehrfachversuche
zu vermeiden. Leider scheitert dies oft am Konkurrenzdenken
der Forschergruppen oder der Unternehmen, die
Tierversuche bei diesen in Aftrag geben.
Neuer Entschließungsantrag im österreichischen
Parlament
Die Parlamentsabgeordnete Brigid Weinzinger
brachte angesichts dieser eklatanten Defizite
im Bereich der Tierversuchsgesetzgebung folgenden
Entschließungsantrag im Nationalrat ein, der
voraussichtlich im Wissenschaftsausschuss behandelt
wird.
Darin wird die Bundesregierung ersucht, folgende
Maßnahmen zu treffen bzw. sich auch auf EU-Ebene
für folgende Maßnahmen einzusetzen:
- verstärkte (vor allem auch finanzielle) Förderung von wissenschaftlichen Ersatzmethoden zum Tierversuch entsprechend § 17 Tierversuchsgesetz
- Beschleunigung des Validierungsverfahrens (also Zulassungsverfahrens) für tierversuchsfreie Methoden – heute ist es oft so, dass neue Alternativmethoden einen regelrechten Spießrutenlauf durch die diversen Genehmigungs- und Validierungsinstanzen nehmen müssen – mit entsprechend zeitraubenden, die Zulassung der neuen Methoden verzögernden Konsequenzen
- beschleunigte Anerkennung der bereits entwickelten und gesetzlich verbindliche Anwendung von sowohl anerkannten als auch von validierten Ersatzmethoden zum Tierversuch
- Schaffung einer zentralen Tierversuchsdatenbank, in der alle genehmigten und durchgeführten Tierversuche erfasst werden und auf die alle zuständigen Behörden Zugriff haben – damit nicht, wie das heute auf der Tagesordnung steht – im Rahmen ähnlicher Forschungsprojekte dieselbe Versuchsanordnung wiederholt bzw. parallel durchgeführt wird und so zusätzlich unnötig Tiere geopfert werden
- Aufbau einer EU-weiten Datenbank für Alternativen zu Tierversuchen und verstärkte Kooperation mit validierenden Einrichtungen wie dem „European Centre for the Validation of Alternative Methods“ (ECVAM) und der OECD
- Schaffung von Rahmenbedingungen, damit die Umsetzung der allgemein anerkannten „Drei R“ (Reduction, Refinement, Replacement) schleunigst herbeigeführt wird.