Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (25.08.2008)
Wien, am 25.08.2008Staat knüppelt Tierschutz nieder
Der VGT setzt alles daran, um das Unrecht gegen die Tierrechtsgefangenen zu beenden. Einige Gefangene haben uns wieder ihre Gedanken, zu der nun schon so endlos andauernden Haft geschickt. Worte, die zu Herzen gehen!
Mit einer spektakulären Aktion machten AktivistInnen des VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN (VGT) am Donnerstag Nachmittag auf die Folgen der Repression, die der Tierschutz zur Zeit zu spüren bekommt, aufmerksam.
Ein Aktivist symbolisierte den Staat und schlug mit einem Vorschlaghammer auf Stofftiere ein. Herbeieilende TierschützerInnen wurden vom Staat in Ketten gelegt und weggesperrt.
"Der Polizeischlag vom 21. Mai 2008, bei dem 10 TierschützerInnen unter der ominösen Begründung der Mitgliedschaft einer kriminellen Organsiation inhaftiert wurden, kann tatsächlich die Auswirkung haben, dass Tierschutz in Österreich in Zukunft unmöglich gemacht wird. Vor allem der politische Tierschutz, dessen Aufgabe es ist, Verbesserungen in der sogenannten Nutztierhaltung zu erzielen, kann kaum mehr durchgeführt werden, meint Mag. Christine Braun vom VGT. "Der Akt, der bisher zur Verfügung steht, enthält nämlich unter anderem auch seitenweise Beschreibungen von ganz normalen Tierschutzkampagnen, die selbstverständlich keinerlei strafrechtliche Aspekte beinhalten, aber in Folge kriminalisiert werden sollen. Wer traut sich denn noch, sich aktiv für den Tierschutz einzusetzen, wenn sogar Demonstrationen und Flugblatterverteilen eventuell mit Gefängnis bestraft werden?"
Tierschutz wird in der Gesellschaft immer wichtiger und auch wenn dies einigen PolitikerInnen nicht gefällt, können nicht Polizeistaatmethoden angewandt werden, um unbequeme Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Der VGT fordert weiterhin die umgehende Freilassung der Tierschutzgefangenen, die Rückgabe der beschlagnahmten Materialien und eine ensprechende Entschädigungszahlung an alle betroffenen Personen und Tierschutzvereine.
Gedanken von Gefangenen
Die Zeit verrinnt!
Monatelang im ewig gleichen Raum, in meiner Zelle.
Die Zeit vergeht.
Sie zerrinnt mir zwischen den Fingern.
Noch wenige Tage vor meiner Verhaftung bin ich eine Schitour gegangen. Jetzt wird es bereits wieder herbstlich. Was bleibt ist ein riesiges Loch in meinem Leben.
Zeit ist das Wertvollste was ich habe. Und ich hab nicht mehr viel davon, in meinem Leben. Das ist das Schlimmste für mich in Gefangenschaft: zuschauen zu müssen, wie die Zeit verrinnt, ohne sie nutzen zu können.
Meine Mithäftlinge führen alle Stricherllisten.
Jeden Tag streichen sie das jeweilige Datum
aus einem Kalender und füllen Berge von Seiten
mit herausgestrichenen Tagestabellen.
Ich will nicht, dass die Zeit vergeht. Ich freu
mich nicht in der Früh auf den Abend und am
Abend auf die Früh. Ich erschrecke, wie die
Tage, Wochen und Monate vergehen, und ich noch
immer in diesem Verlies feststecke. Die Sinnlosigkeit
dieses Zeitverlustes reißt Löcher in meine Seele.
Wo sind die Berge, die Wälder, die Natur, die
sonst mein Leben bereichern? Wo ist die Liebe,
die mich sonst mit Energie und Lebenslust füllt?
Wo bleibt die kreative politische Arbeit im
Tierschutz, bei der ich normalerweise nicht
weiß, wo ich zuerst anfangen soll, so hoch türmt
sie sich vor mir auf? Was kann man Sinnvolles
und Befriedigendes tun, in einer Zelle? Monatelang?
Ich kann mir nicht erlauben, in meiner Vergangenheit zu kramen, und Bilder wunderschöner Erlebnisse vor mein geistiges Auge hervorzuholen. Da tun sich Abgründe auf. Da verlier ich den Boden unter den Füßen. Ich denke nicht an die Berge, die Liebe und all die wichtigen Tierschutzaufgaben, die meiner harren. Ich kanns mir nicht erlauben. Nicht in meinem Schwebezustand der Unsicherheit. Ohne auch nur im Geringsten zu wissen, ob mein Lebensstillstand noch Tage, Wochen, Monate oder sogar Jahre dauern wird. Wie lange ich noch zuschauen muss, wie die Zeit verrinnt, als Beobachter, der nicht eingreifen kann. Obwohl es meine Zeit ist, mein Leben, das hier langsam zerfließt, ohne gelebt zu werden.
Aber auch wenn es das eigene Leben ist, das
einem lautlos entwischt, muss man unbeeindruckt
zuschauen. Anteilnahme führt zum Nervenzusammenbruch,
zum Irrsinn oder Selbstmord. Die oberste Regel
im Gefängnis: denke nichts, plane nichts, fühle
nichts, agiere wie eine Maschine. Was kommt
das kommt. Und solltest Du jemals erwachen und
frei sein, und die Zeit aufhören zu zerrinnen,
dann kannst Du die Scherben Deines Lebens aufsammeln
und neu beginnen. Bis dahin bleibe ich lieber
mehr tot als lebendig. Und sei es mit der Hilfe
von Tabletten.
Gefangenschaft ist....
Gefangenschaft ist immer im gleichem Raum durch
eine schwere Stahltür eingesperrt zu sein, immer
dieselbe Wand und dieselbe Decke anstarren immer
durch dieselben Gitterstäbe in den engen Betonhof
runterschauen, mit den hohen Stacheldrahtverhauen.
Gefangenschaft ist einmal alle 24 Stunden diesen
lebensfeindlichen Betonhof für eine Stunde betreten
zu „dürfen“, und sonst 23 Stunden in derselben
Zelle zu sitzen.
Gefangenschaft ist aber auch immer wieder nicht
einmal diesen Hofgang haben zu dürfen und auf
Rückfrage warum, einen „lustigen“ Witz zu hören
zu bekommen, z.B. dass die Wächter dachten wir
würden uns im Hof fürchten und deshalb lieber
in der Zelle sitzen bleiben.
Gefangenschaft ist auf engstem Raum mit fremden
Menschen zusammengesperrt zu sein, ohne dem
auch nur für eine Sekunde entkommen zu können.
Gefangenschaft ist permanent einem Zigarettenrauch
ausgesetzt zu sein, ohne die Möglichkeit, sich
zu beschweren.
Gefangenschaft ist ohne jeden Respekt behandelt
zu werden und den Respekt vor sich selbst zu
verlieren.
Gefangenschaft ist ein Leben ohne jede Möglichkeit
der Beschwerde, den Launen der Wächter ausgeliefert
zu sein.
Gefangenschaft ist nichts mehr selbst entscheiden
zu können, ob Licht brennt, ob die Wäsche gewaschen
oder die Zelle gesäubert werden muss, ob man
Schreibzeug, etwas zum Malen oder Bücher bekommt,
ob man frische Kleider, vegane Seife oder Zahnpasta
haben darf, und wann man was essen will.
Gefangenschaft ist für vernünftiges Essen von
milden Gaben aus der Küche abhängig zu sein.
Gefangenschaft ist jederzeit von fremden Menschen
herumkommandiert, in andere Zellen verlegt,
nackt ausgezogen und durchsucht zu werden, oder
alle Sachen, die man hat, weggenommen zu bekommen.
Gefangenschaft ist nur 2 Mal pro Woche zusammen
mit wildfremden nackten Menschen in einer Massendusche
sich waschen und niemals ein Bad nehmen zu können.
Gefangenschaft ist niemals allein privat für
sich zu sein.
Gefangenschaft ist alle Urlaubspläne vergessen
zu können.
Gefangenschaft ist alle Vereinbarungen nicht
einhalten zu können, ohne das den Betroffenen
mitteilen zu dürfen.
Gefangenschaft ist keine Berge, keine frische
Luft, kein Wasser zum Schwimmen, keine
Sonne und kein Regen.
Gefangenschaft ist an heißen Tagen in einer
engen Zelle zu schwitzen, ohne Ventilator, Kühlung
oder Wasser.
Gefangenschaft ist ein Leben ohne jeden Sport,
ohne Laufen, Klettern oder Gewichten.
Gefangenschaft ist den Job zu verlieren und
die Miete nicht einzahlen zu können.
Gefangenschaft ist ein Leben ohne Freunde, sondern
nur mit wildfremden Personen.
Gefangenschaft ist ohne Liebe und geliebte Personen,
ohne jeden physischen Kontakt auszukommen.
Gefangenschaft ist der ewige Zweifel, wie lange
das noch dauert.
Gefangenschaft ist die völlige Hilflosigkeit.
Gefangenschaft ist irgendeinen Befehl zugerufen
zu bekommen, und wenn man ihn nicht versteht
oder nicht kennt, zusammengeschrien zu werden.
Gefangenschaft ist ein Leben ohne Grün, ohne
Pflanzen, ohne Wald.
Gefangenschaft ist ein Leben ohne Tiere.
Gefangenschaft ist ein Leben ohne Leben.
Gefangenschaft ist Folter!
Ich will kein Märtyrer sein
Im Jahr 2004, nach unserem ersten durchschlagendem Erfolgen im Tierschutz wie dem Legebatterieverbot, das die Tierindustrie tief erschüttert hat, muss eine mächtige Clique im Land den Großangriff auf den Tierschutz und insbesondere den VGT beschlossen haben. Der Tierschutz wurde zum größten Gefahr für die nationale Sicherheit erklärt, wie das ein Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung anlässlich der islamistischen Bombenanschläge in London gegenüber dem Kurier formuliert hat.
Das war der Startschuss für eine massive Bespitzelung jeder noch so harmlosen Tierschutzaktivität. Dann wurden rigorose Demoverbote gegen den Tierschutz erlassen und mit Gewalt durchgesetzt. Im alljährlichen Verfassungsschutzbericht verunglimpfte man gleich alle Vereine und Gruppierungen, die Demos und Kampagnen durchführen, als militant und potentiell kriminell. Der VGT wurde sogar explizit erwähnt.
Als nächsten Schritt der Eskalation initiierte
das Amt für Terrorismusbekämpfung eine Finanzprüfung
unseres Vereins. Zusätzlich wurde in einer Aussendung
an alle Schulen vor dem VGT gewarnt. Das Ziel:
den VGT zu kriminalisieren und zu isolieren,
und durch geschickten Rufmord seiner Mitglieder
und SpenderInnen zu berauben.
Die Polizei trat dann an Firmen heran, die Kampagnengegner
des VGT waren, um sie zu beraten und gemeinsam
Strategien zu entwickeln, die VGT- Kampagnen
zu verhindern. Z.B. wurde einer Firma explizit
empfohlen, verfassungswidrige Pseudodemos zu
veranstalten, um so VGT- Informationsveranstaltungen
über die tierquälerischen Praktiken der Firma
zu verhindern. Im Verfassungschutzbericht werden
legale Demonstrationen und Kampagnen, die erfolgreich
Firmen zu einer tierschutzfreundlicheren Haltung
gebracht haben, als Bedrohung für die Verfassung
und als Geschäftsschädigung bezeichnet. Damit
hat sich aber das Innenministerium explizit
gegen die Verfassung gestellt, weil derartige
Kampagnen sind das Herzstück einer funktionierenden
Demokratie und deshalb durch die Verfassung
geschützt.
Der Innenminister und die Sicherheitsdirektion
legten noch ein Schäuflein zu und logen über
den VGT, um ihn zu diffamieren. Der damalige
Innenminister bezeichnete im Parlament den VGT
als gewalttätig und gestand nach Intervention
der Volksanwältin, dass er dafür keine Belege
hätte.
Die Rache folgte auf den Fuß. Das, was niemand
für möglich hielt, wurde Wirklichkeit. Wie in
einer Diktatur wurde eine Sondereinheit der
Polizei gegründet, mit dem ausschließlichen
Ziel, einen Großangriff gegen den Tierschutz
und insbesondere den VGT einzuleiten. AgentInnen
wurden in den VGT eingeschleust, Mikrophone
in Vereinsräumlichkeiten angebracht, 2 Dutzend
Personen wurden monatelang observiert, ihre
Handys jahrelang abgehört – mit großem finanziellem
Aufwand – und sogar Peilsender an ihren Autos
angebracht und die Eingänge zu ihren Wohnungen
permanent überwacht und gefilmt.
Am 21. Mai 2008 drangen dann 23 maskierte und bewaffnete Polizeieinheiten mit Gewalt in Wohnungen und Büros aus dem Tierschutzbereich ein, entfernten alles, was für eine seriöse Tierschutzarbeit notwendig ist und steckten 10 der aktivsten Personen bis heute ins Gefängnis. Ohne Anklage und ohne konkreten Verdacht, unter dem Vorwand, eine große, geheimnisvolle und nicht eingrenzbare kriminelle Organisation zu bilden, die viele verschiedene Tierschutzvereine umfasst. Es liegen Protokolle von internen Treffen der Sonderkommission der Polizei vor, wo diskutiert wird, wie man dem VGT die Gemeinnützigkeit entziehen und ihm sonst Schaden und ihn vernichten kann. Keine Rede von Kriminalität, da geht es nur mehr um die Vernichtung des aktivsten Tierschutzverein Österreichs. Und die Tierschutz- Kontrollstelle sollte ausgehebelt und wegen „Schutzgelderpressung“ stillgelegt werden.
Ich bin einer der Inhaftierten. Meine Rolle ist die des Märtyrers. Zugegeben, es handelt sich hier um den größten Angriff auf Meinungs- und Verfassungsfreiheit, und auf außerparlamentarischen politischen Aktivismus seit dem 2. Weltkrieg. Zugegeben, das ist ein historischer Moment, die Entscheidung, auf welchem Weg sich unsere Gesellschaft machen will, in Richtung gläsernen BürgerInnen und Polizeistaat, oder in Richtung Datenschutz, Privatsphäre und politischer Versammlungsfreiheit ohne Bespitzelung und Polizeiterror. Aber die Folter der U- Haft ist sehr konkret und individuell.
Gegen gewalttätigen Polizeiterror in dieser Dimension bleibt nur passiver, gewaltfreier Widerstand. Das Leiden, das der Staatsterror unschuldigen und gewaltfreien AktivistInnen zufügt, soll die Entrüstung in der Gefangenschaft schüren, die letztendlich den Terror beendet. Wie weilend Gandhi, Martin Luther King oder Nelson Mandela, ist meine Rolle die, das Leiden in der U-Haft erhobenen Hauptes zu leisten und stark meinen Überzeugungen treu zu bleiben. Die Gedanken sind frei, steht in vielen der weit über 100 Unterstützungsbriefe, die ich bereits in meiner Zelle empfangen habe.
Aber ich bin ein Waldläufer, ein Tier, ein Primat. Ich habe seit Monaten keinen Baum mehr gesehen, geschweige denn berührt, gerochen oder erklettert. Kein Grün in meiner Zelle, kein Grün beim Blick aus dem Fenster. Keine Sonne dringt durch das engmaschige Gitter. Als Veganer bin ich vom Sonnenlicht für meine Vitamin D Versorgung abhängig. Hier muss meine Haut ohne Sonnenlicht auskommen.
Eine lebensfeindliche Betonwelt. Aus Leuchtstoffröhren kaltes Kunstlicht. Ich kann mich nicht bewegen, Körper und Geist verfallen. Laut Tierschutzgesetz müssen SchimpansInnen wie wir pro Individuum mindestens 200m² Bodenfläche, mindestens 6m hohe Räume, dreidimensional strukturiert, und mindestens 400m² grün bewachsenes Freiareal, das täglich dauerhaft zugänglich ist, zur Verfügung stehen. Ich muss mich mit 5m² begnügen, keine dreidimensionale Struktur, um die geistige Gesundheit zu garantieren. Kein Ausgang ins Freie. In dieser Haltung wird man langsam verrückt. Kein Tag ohne sturem Hin – und Hergehen. 7 Schritte vor, umdrehen an der Wand, 7 Schritte zurück, umdrehen, immer dieselbe Bewegung. Hospitalismus nennt man das. Ein sicheres Zeichen bei Zootieren z.B., dass die Haltung in den Wahnsinn treibt. Jede Nacht hört man verzweifeltes Schreien aus den Zellen, lautes Trommeln an die Gitterstäbe, bis es nach Stunden abflaut.
Nein, auch die Gedanken sind hier nicht mehr frei. Zum schieren Überleben schlucke auch ich Psychopharmaka, wie die weiblichen Schweine im Kastenstand. Körper und Geist sind viel zu sehr verbunden, um in körperlicher Gefangenschaft nicht auch geistig gefangen zu sein.
Aber ich bin mit schon bewusst, wie wichtig es ist, diesen Konflikt zu gewinnen. Ich spüre die Solidarität in über 150 Briefen und den täglichen Demos vor dem Gefängnis, die in meiner Zelle zu hören sind. Ich fühle die Liebe bei meinen Besuchen von den Personen, die mir nahestehen. Ich empfinde das weltumspannende Agieren im Tierschutz, wenn ich in der Zeitung von einer Aktion trotz Terrorhysterie in China anlässlich der Olympischen Spiele lese – in einer Diktatur! Auch wenn kein Ende meiner Folterhaft abzusehen ist.
Ich will kein Märtyrer sein, aber ich bin es.
So ist der Lauf der Welt. Nicht in heroischer
Pose, sondern mit den Augen voller Tränen. Nicht
stolz und ungebrochen, sondern verzweifelt und
schwach. In meine Rolle gezwungen, die ich mir
nicht ausgesucht habe.
Aber wie auch immer das hier ausgehen mag, ich
werde mich immer, mein ganzes Leben, für Tierschutz
und Tierrechte einsetzen. Dieser Grundeinstellung
werde ich in keinem Fall den Rücken kehren,
da müssen sie mich schon umbringen. Eine Schlacht
kann man verlieren, den Konflikt aber, meine
Lieben, den müssen wir gewinnen.