Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (17.01.2014)
Wien, am 17.01.2014Tierschutzprozess: 150 Interessierte hörten Präsentation von scharfem Gutachten
In 10 Seiten widerlegt Univ.-Prof.in Velten OLG-Berufungsurteil: Ankündigung legaler Kampagnen keine Nötigung - SPÖ-Justizsprecher kündigt legistische Konsequenzen an
Der Presseclub Concordia in der Wiener Innenstadt war mit 150 BesucherInnen völlig überfüllt, als die Vorständin des Instituts für Strafrecht der Uni Linz ihr 10 seitiges Gutachten zum Tierschutzverfahren vor dem LG Wr. Neustadt präsentierte. Dabei ging es um die Rechtsansicht des OLG Wien, die Androhung einer legalen Kampagne mit permanenten Demonstrationen zur Beendigung des Pelzhandels sei eine schwere Nötigung. Prof.in Petra Velten führte aus, dass die OLG-Richterinnen einfach das Fernziel der Kampagne, nämlich Tierschutz - also ein Staatsziel, ausgeklammert hatten. Dieser ,,Auslegungstrick", so Velten, würde die notwendige Abwägung zur Frage, ob die Androhung rechtswidrig sei, unmöglich machen. Es sei völlig legal, mit Hilfe von Demonstrationen durchzusetzen zu versuchen, dass die Menschen keinen Pelz mehr kaufen und dadurch Firmen vom Pelzhandel Abstand nehmen. Dieses Vorgehen vorher anzudrohen sei ein ,,milderes Mittel" und daher im öffentlichen Recht sogar Voraussetzung vor der Anwendung von Zwangsmitteln. Wenn eine Handlung als Mittel zu einem Zweck legal ist, muss diese vorher anzudrohen, um den Zweck ohne dieses Mittel zu erreichen, ebenfalls legal sein! Das Gutachten ist im vollen Wortlaut in Martin Balluch's Blog nachzulesen.
SPÖ-Justizsprecher Dr. Hannes Jarolim nannte das Gutachten logisch schlüssig und die einzig vernünftige Position zu dieser Frage. In scharfen Worten verurteilte er das Vorgehen der Justiz im Tierschutzprozess und zeigte sich verwundert, mit wie viel Fantasie jeweils neue Interpretationen von Strafgesetzen gefunden werden, um sie auf legale Kampagnenarbeit der Zivilgesellschaft anzuwenden. Er kündigte an, mit seinem Koalitionspartner legistische Konsequenzen zu diskutieren und eine mögliche Reform des gesamten Strafgesetzbuches durchzuführen, um Anachronistisches auszusondern und derartige Instrumentalisierungen in Hinkunft auszuschließen.
Tierschutzprozess-Anwalt Mag. Stefan Traxler berichtete von einem Gespräch mit dem zuständigen Richter, der von einem Beginn der Neuauflage des Verfahrens am LG Wr. Neustadt ab Anfang April ausgeht. Traxler gab sich zuversichtlich, dass Prof.in Veltens Argumente Gehör finden würden. Sie seien die rationalste Auslegung des Nötigungsparagraphens 105 StGB. Der ehemalige Angeklagte Chris Moser ergänzte, dass er in Innsbruck noch heute vor Kleider Bauer wöchentlich Demonstrationen gegen Pelz abhalte und daher regelmäßig eine Nötigung begehe, wäre die Rechtsansicht des OLG korrekt.