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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (14.06.2018)

Wien, am 14.06.2018

Podium: Wie wichtig ist die Zivilgesellschaft?

Manfred Seeh manövrierte am 13. Juni im SkyDome in Wien als Moderator das Podium durch grundlegende Fragen wie wer die Zivilgesellschaft eigentlich ist und welche Aktivitäten als legitim gelten können.

Der VGT Tierschutzreferent Martin Balluch, Amnesty International Kampagnenleiter Bernhard Csengel, Philosoph und Aktivist Robert Foltin, Grüne Politikerin und Juristin Madeleine Petrovic, Ulrike Sambor, Aktivistin für ein Bedingungsloses Grundeinkommen in der Initiative Zivilgesellschaft und die Strafrechtsexpertin Petra Velten von der Johannes Kepler Universität in Linz gingen auf die kritischen Fragen von Die Presse Chefredakteur Manfred Seeh ein.

Moderator Manfred Seeh verblüffte durch seine unkonventionelle Diskussionsleitung indem er von Anfang an zu einem lebendigen Austausch zwischen Publikum und Podium einlud. Er forderte die Besucher_innen der Veranstaltung auf sich jederzeit zu den Aussagen im Podium zu Wort zu melden und schreckte auch nicht davor zurück länger ausschweifende Antworten durch Präzisierungsfragen zu unterbrechen.

Wer ist die Zivilgesellschaft eigentlich?

Das Volk. Das Podium arbeitete heraus, dass wir im Wesentlichen jene Personen und Institutionen als Zivilgesellschaftliche Akteur_innen betrachten können, die nicht aus Eigeninteressen agieren und sich stattdessen dem Gemeinwohl widmen.

Dabei ist die Grenzziehung schwierig weil sich auch durchaus eine Mehrheit zu Anliegen bekennen kann, die zumindest für Minderheiten problematisch sein können. In Österreich wird im Gegensatz zum beispielsweise englischsprachigen Raum rechtlich nicht utilitaristisch argumentiert und daher können auch durchaus Minderheitenrechte als hochwertig verfolgt werden obwohl die Mehrheit vielleicht kein starkes Interesse an diesen Themen hat. Die Menschenrechte werden beispielsweise als absolute ethische Forderung betrachtet obwohl ihre Absicherung in einzelnen Fällen mitunter den Zielen der Mehrheit zuwider laufen kann.

Aus dieser Sichtweise können wir alle als Zivilgesellschaft agieren so lange wir nicht bestimmten Einzelinteressen von uns oder Institutionen dienen. Dem entsprechend gibt es auch das Phänomen einer Schein-Zivilgesellschaft, die bloß vorgibt demokratisch legitimiert zu sein um auf diesem Weg Entscheidungen zu beeinflussen. Es ist oftmals schwer zwischen echter Zivilgesellschaft und gekauften Stimmungsmacher_innen zu unterscheiden.

Was ist die Rolle der Zivilgesellschaft?

Staatliche und administrative Institutionen und Organe sind praktisch Dienstleister_innen der Zivilgesellschaft, die als Souverän in einer Demokratie jene Instanz ist, die letztlich bestimmen soll. Daher ist die gestaltende Einflussnahme der Zivilgesellschaft in unserer Verfassung als hohes Gut geschützt. Die Zivilgesellschaft muss gut über gemeinschaftliche Abläufe informiert sein und dient als wichtiges Korrektiv für jene Organe, denen Macht zugesprochen wird um möglichst reibungslos gemeinschaftliche Selbstbestimmung umsetzen zu können.

Der Abbau bürgerlicher Rechte ist gefährlich weil auf diesem Weg sehr leicht das empfindliche Gleichgewicht der Macht gestört werden kann. Wenn öffentliche Organe unter Geheimhaltung mit weitreichenden Befugnissen agieren können, besteht die Gefahr, dass sie unentdeckt und ungehindert ihre Macht für die Durchsetzung von Einzelinteressen missbrauchen können, die nicht den Motiven der Wertegemeinschaft entsprechen. Wenn zusätzlich gefordert wird die Privatsphäre von Bürger_innen aufzugeben indem immer weitreichendere Überwachungsmechanismen installiert werden, dann müssen engagierte Personen mit staatlicher Verfolgung rechnen, falls sie sich gegen Amtsmissbrauch organisieren wollen.

Damit ist die Zivilgesellschaft nicht nur der entscheidende Souverän in unserer Demokratie. Sie ist gleichzeitig auch eine sensible Kontrollinstanz, deren Möglichkeiten zur Selbstorganisation essenziell für das Funktionieren unserer Gesellschaft sind. Unsere Gemeinschaft hängt davon ab, dass mit bestimmten Befugnissen betraute Organe diese Sonderrechte verantwortungsvoll nutzen und sich nicht über ihre zugedachte Rolle hinwegsetzen können indem sie ihre Macht missbrauchen. Wo die Zivilgesellschaft keine Möglichkeit mehr hat bestehende Ordnungen effektiv herauszufordern und neu zu gestalten, scheitert die Demokratie und das Volk hat seine Eigenverwaltungsmöglichkeit verloren.

Wo sind die Grenzen legitimen Handelns?

Die Rechtsexpertinnen am Podium strichen klar heraus, dass Gesetze eine ungeeignete Grundlage für die Beurteilung der Legitimität von zivilgesellschaftlichen Aktivitäten sind. Sie fassen die Frage als eine ethische Herausforderung auf, die – zumindest in Österreich – bisher auch vor Gericht so beurteilt wird. Verschiedene Urteile begründen Freisprüche von erwiesenen Gesetzesverletzungen damit, dass sie notwendig waren um höhere Rechtsgüter zu schützen.

Als konkrete Beispiele wurden Bürobesetzungen von Amtsorganen und das Überkleben von gezahlten Plakatflächen erwähnt. Wenn Bürger_innen nicht mal angehört werden obwohl sie in einer Demokratie eigentlich jene Personen sein sollten, die entscheiden dürfen, führt oft kein Weg daran vorbei Amtsträger_innen gegenüber die eigenen Rechte einzufordern. Wirtschaftliche Ressourcen sollten nicht über die Möglichkeit entscheiden wie sehr es möglich ist öffentlichkeitsrelevante Entscheidungen zu beeinflussen. Diesbezüglich wurden auch die Gefahren einer Verlagerung der öffentlichen Debatte in privatisierte digitale Räume (wie Soziale Medien-Plattformen) angesprochen weil in der EDV das Hausrecht in der Regel lückenlos einseitig durchgesetzt werden kann und damit jeder zivile Widerstand im Keim erstickt wird. Betreiber_innen solcher online-Angebote machen Reichweiten meist ausschließlich von Gebühren abhängig und ein ziviler Widerstand dagegen erscheint nur unter riesigem technischen Aufwand und mit Inkaufnahme rechtlich hoher Strafdrohungen vorstellbar.

Ziviler Widerstand will die öffentliche Debatte fördern und muss es daher vermeiden Angst zu schüren, wenn er legitim bleiben soll. Daher kommt Gewalt nicht als Option in Frage. – Wobei Gewalt hier immer nur als gegen Subjekte gerichtete Maßnahmen verstanden wird. Dem entsprechend gibt es keine Gewalt gegen Dinge. Bei Gesetzesbrüchen für die Durchsetzung höherer Rechtsgüter werden üblicherweise die Strafen in Kauf genommen weil es nicht um die Gesetzesübertretung selbst geht, sondern um die darüber erreichbare Förderung einer breiten kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema, das sie begründet.

Wie steht es um die aktive Zivilgesellschaft in Österreich?

In letzter Zeit häufen sich Gesetzesinitiativen, die zivilgesellschaftliche Rechte einschränken und gleichzeitig die Berechtigungen von Behörden erheblich erweitern. Dies bedroht zunehmend das Gleichgewicht zwischen Zivilgesellschaft und Amtsorganen. Das gibt Anlass zur Sorge, dass es viele Menschen nicht mehr wagen sich gegen Missstände zu organisieren weil Bürger_innen unter diesen Bedingungen fürchten müssen für ihr obrigkeitskritisches Engagement benachteiligt zu werden.

Gleichzeitig stellte das Podium grundsätzlich fest, dass Österreich im Vergleich zum umliegenden Ausland immer noch über eine durchaus motivierte Zivilgesellschaft verfügt. Aus historischer Sicht ist eine Verlagerung der Aktivitäten von Einzelpersonen hin zu größeren Organisationen zu erkennen. In Zwentendorf haben sich hauptsächlich Einzelindividuen engagiert weil es noch keine großen Organisationen gab. Die bildeten sich erst später heraus. Diese Entwicklung kann aus zwei Blickwinkeln betrachtet werden: Während Organisationen natürlich leichter ein größeres Momentum entwickeln, sind sie auch anfälliger gegenüber staatlichen Einschränkungsmaßnahmen.

Die Bedrohung durch immer weiter ausgebaute Befugnisse für staatliche Institutionen, wie etwa dem Überwachungspaket, bei einer gleichzeitigen Erodierung von Bürger_innenrechten wie bei Einschränkungen im Versammlungsrecht zeigt einen dringenden Handlungsbedarf.

Eine weitere ernste Gefahr, die zur Sprache kam, ist der laufende Ausbau der gesetzlichen Normen. Wir haben immer mehr, immer spezifische Gesetze. Damit wird immer undurchschaubarer welche Regeln wofür gelten. Zusätzlich werden Rechtsnormen oft selektiv angewendet und damit der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Wenn nicht mehr alle Bürger_innen nach den selben Maßstäben beurteilt werden, verlieren wir die Chancengleichheit und damit unsere demokratiepolitische Basis. Wir dürfen uns nicht dem Frust über Rückschritte hingeben und müssen unsere Grundrechte laufend verteidigen. Andernfalls werden sie schleichend abgebaut. Es ist schwerer Rechte zu erkämpfen als bestehende zu verteidigen. Lassen wir sie uns nicht nehmen!

Bitte beachten Sie auch andere Termine unserer Demokratie – Quo vadis? Veranstaltungsreihe!

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