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Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (30.07.2021)

Wien, am 30.07.2021

Video und Zusammenfassung zu: Tierversuchsfreie Covid-19-Forschung

Der Vortrag von Gastreferentin Frau Prof. Doris Wilflingseder, Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie, Medizinische Universität Innsbruck vom 29. Juni 2021 ist nun auch online als Video und als Text-Zusammenfassung verfügbar.

In ihrem Vortrag stellt Frau Prof. Wilflingseder ihre tierversuchsfreie Forschung im Bereich von COVID-19 vor, die sie und ihre Kollegschaft im Jahr 2020 im Labor an der Medizinischen Universität Innsbruck (MUI) etabliert haben. Hierbei geht Frau Prof. Wilflingseder zunächst auf den Hintergrund ihrer tierversuchsfreien Forschung ein und nennt wichtige Plattformen für den Austausch und den Wissenstransfer in den Bereichen Alternativmethoden zu Tierversuchen und 3R (Replacement, Reduction, Refinement). Im Anschluss daran präsentiert Frau Prof. Wilflingseder einen Steckbrief von SARS-CoV-2, gibt einen Überblick zum Infektionsgeschehen und zum Krankheitsverlauf und nennt erste Therapieansätze. In Bezug auf das Infektionsgeschehen und den Krankheitsverlauf bekommen die Zuhörer:innen einen sehr guten Einblick in die komplexen physiologischen Prozesse – speziell die Immunreaktionen – die im Rahmen einer Infektion mit SARS-CoV-2 und anderen Erregern im Körper ablaufen. Die Ursachen für die teils dramatischen Krankheitsverläufe werden hierbei deutlich. Schließlich geht Frau Prof. Wilflingseder auf konkrete Alternativmethoden zu Tierversuchen ein, die im Zusammenhang mit ihrer Forschung zu COVID-19 eine wichtige Rolle spielen.

Video vom Vortrag

Forschungshintergrund

Bezüglich des Hintergrunds Ihrer tierversuchsfreien Forschung hebt Frau Prof. Wilflingseder die lange Tradition der MUI in Hinblick auf die Entwicklung von Alternativmethoden hervor. Sie führt insbesondere die Arbeiten von Herrn Prof. Walter Pfaller und Herrn Prof. Gerhard Gstraunthaler an, die bereits in den 1990iger Jahren auf diesem Gebiet arbeiteten. Die Forscher entwickelten u. a. optimierte Zellkulturmodelle in Form von selbstgebastelten Perfusionsmodellen, die die natürlichen Verhältnisse im lebenden Organismus sehr gut widerspiegeln. Neben der Entwicklung von tierversuchsfreien Alternativmethoden gab es an der MUI bereits sehr früh das zusätzliche Bestreben, absolut tierfreie Alternativmethoden zu entwickeln. Spätestens an dieser Stelle des Vortrags wird den Zuhörer:innen klar, dass tierversuchsfrei nicht gleichbedeutend ist mit tierleidfrei. Beispiele in Form von Zellkulturmedien werden angeführt, in denen fetales Rinderserum oder Kollagen aus Rattenschwanzzellen als Nährsubstrat für Zellen verwendet werden. Für beide Medien stehen mittlerweile tierfreie Substrate zur Verfügung, die potenziell als Alternativen genutzt werden können. Die Verantwortung jeder einzelnen Wissenschaftlerin und jedes einzelnen Wissenschaftlers, sich Wissen in Bezug auf (neue) Entwicklungen und Möglichkeiten zur Verhinderung von Tierleid anzueignen und dieses in ihrer Forschung zu berücksichtigen wird an dieser Stelle sehr deutlich.

Wissenstransfer

Im Zusammenhang mit dem Austausch von Wissen hebt Frau Prof. Wilflingseder die RepRefRed Society hervor (Replacement, Refinement, Reduction Society). Diese Gesellschaft trägt zur Förderung von alternativen Biomodellen bei und bietet eine zentrale Plattform für Kommunikation und Wissenstransfer im Bereich der 3R. Die RepRefRed Society wurde vom BMBWF (Bundesministerium für Bildung Wissenschaft und Forschung) zudem mit der Aufgabe betraut, in den kommenden Jahren das Austrian 3R Center aufzubauen. Des Weiteren nennt Frau Prof. Wilflingseder das von ihr und ihrer Kollegschaft im Jahr 2017 an der Medizinischen Universität Innsbruck gegründete MUI animalFree Research Cluster. Dieses „Zentrum“ dient ebenfalls dazu, Personen mit Expertise im Bereich von Alternativmethoden zusammenzubringen, Wissen zu bündeln und gemeinsam Dinge in den Bereichen 3R und Alternativmethoden zu Tierversuchen voranzubringen. Darüber hinaus trägt das MUI animalFree Research Cluster zur Weiterbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses bei. Auch im Bereich der universitären Lehre konnte Frau Prof. Wilflingseder mit ihrem Engagement einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie eine Änderung des Curriculums der MUI erreicht hat und Lehrveranstaltungen zu tierversuchsfreien Methoden nun verpflichtend auf dem Lehrplan für Student:innen des Masterstudiums Molekulare Medizin stehen.

COVID-19

Im zweiten Teil ihres Vortrags widmet sich Frau Prof. Wilflingseder intensiv dem Thema SARS-CoV-2 bzw. COVID-19 und geht dabei u. a. den folgenden Fragen nach:

  • Was ist SARS-CoV-2?
  • Wie erfolgt die Infektion?
  • Wie lang ist die Inkubationszeit?
  • Was macht das Virus in Bezug auf seine rasche Verbreitung so erfolgreich?
  • Wie sieht das typische Krankheitsbild aus?
  • Welche Krankheitsverläufe gibt es?
  • Wie reagiert das Immunsystem auf eine Infektion?
  • Welche Möglichkeiten gibt es, die Infektion eines Menschen mit COVID-19 in alternativen Modellen zu simulieren?
  • Welche Behandlungs- und Therapieansätze für COVID-19 sind bisher verfügbar und an welcher Schwachstelle des Virus setzt z. B. die Impfung an?

Im Zuge der Beantwortung der Fragen erhalten die Zuhörer:innen einen tiefen Einblick in die physiologischen Vorgänge, die bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 ablaufen. Dabei wird die zentrale Rolle des Immunsystems bei der Bekämpfung einer Infektion UND bei der Ausprägung von schweren Krankheitsverläufen deutlich: Während die Immunantwort eines gut funktionierenden Immunsystems zu einer Eliminierung der Krankheitserreger führt, kann es bei einer Überreaktion des Immunsystems u. a. zu einer drastisch erhöhten Ausschüttung von Zytokinen/Entzündungsproteinen kommen – dem sogenannten Zytokinsturm. Zytokine sind Komponenten des Komplementsystems, das neben den Immunzellen einen Teil des Immunsystems darstellt. Sie bieten nach einer Infektion eigentlich einen Schutzmechanismus für die Viruskontrolle bis das Immunsystem greift. Bei einer Überaktivierung können die Zytokine jedoch zu schweren Gewebsschäden in der Lunge und auch in anderen Organen und Körperstrukturen führen und damit im schlimmsten Fall bis zum Tod. Als häufigste Komplikation und Todesursache bei SARS-CoV-2 tritt das ARDS (Acute Respiratory Distress Syndrom) auf. Das ARDS geht in den meisten Fällen mit einem Zytokinsturm einher.

Alternativmethoden

Im nächsten Teil Ihres Vortrags geht Frau Prof. Wilflingseder auf verschiedene Alternativmethoden ein. Sie stellt die klassische Zellkultur vor, in der Zellen zweidimensional auf Plastik wachsen und fügt gleich hinzu, dass dies natürlich nicht die Situation im Körper widerspiegelt. Nichtsdestotrotz können diese 2D-Zellkulturen z. B. zur Testung von Medikamenten verwendet werden. Ein Zellkulturmodell, das der Realität und damit der Physiologie im Körper mehr entspricht findet sich in 3D-Zellkulturen. Hier liegt, wie der Name schon sagt, alles dreidimensional vor und es gibt eine komplexe Mikroumgebung. Frau Prof. Wilflingseder und ihr Team nutzen ihre tierfreien, humanen 3D-Zellmodelle u. a. zur Testung von möglichen Medikamenten gegen Covid-19, wobei die Medikamente zum Teil neu sind oder bereits für andere Krankheiten zugelassen.

Ein besonderes System, an dem Frau Prof. Wilflingseder und ihre Team arbeiten, ist das sogenannte Air-Liquid-Interface-Modell. Mit diesem ist es sehr gut gelungen, dem Ziel näherzukommen, an möglichst naturgetreuen Zellkulturen zu forschen. In dem Modell wird Lungengewebe nachgestellt, das wie im lebenden Organismus ein Flimmerepithel an einer Luft-Flüssigkeitsphase besitzt und sogar in der Lage ist Mukus (Schleim) zu produzieren, mit dem Erreger nach Außen transportiert werden können. Zudem können in dieses System sehr gut Immunzellen eingebaut werden.

Ein anderes System, das bei der Forschung von Frau Prof. Wilflingseder zum Tragen kommt, findet sich in Form von sogenannten Organoiden. Dies sind wenige Millimeter große Miniorgane. In der Regel besitzen Organoide keinerlei Gefäße; sie zeigen dennoch physiologisch relevante, organähnliche Eigenschaften. Heute lassen sich bereits eine Vielzahl von Organen nachbilden. So gibt es z. B. Miniherzen, Minidärme und Minilungen.

Ausblick

Im letzten Teil ihres Vortrags zeigt Frau Prof. Wilflingseder anhand weiterer Arbeiten, dass tierfreie Zellkulturmodelle das Krankheitsgeschehen bei Patient:innen sehr gut wiedergeben. Sowohl die Reaktion des Immunsystems auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 (z. B. in Form eines Zytokinsturmes), als auch das typische Krankheitsbild (in Form von starker Mukusproduktion, Bildung von Schleimpfropfen und vielen zerstörten Zellkernen) lassen sich sehr gut nachbilden.

Besonders spannend in Bezug auf das Komplementsystem ist die Tatsache, dass Experimente mit Komplement-Hemmern in vitro bereits Wirkung zeigten: Die Entzündungsparameter gehen nach der Gabe von Komplement-Hemmern auf ein Normalniveau zurück und die Viruslast sinkt deutlich ab bzw. geht gegen null.

Die optimistisch stimmende Botschaft des Vortrags lautet, dass die Forschung im Bereich der Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen rasanter denn je fortschreitet und sich in Kombination mit der Verwendung von Patient:innendaten und der Bioinformatik vielversprechende Aussichten für die tierversuchsfreie und bestenfalls tierfreie Forschung ergeben. Hierzu – sowie zur größeren Akzeptanz von tierfreien Forschungsmethoden – haben nicht zuletzt die durch SARS-CoV-2 ausgelöste Pandemie und die damit verbundene Forschung zur Bekämpfung von COVID-19 beigetragen.

Autorin: Dr. Vera Marashi

Literatur

  • SARS-CoV-2–infected primary human airway ...
    Journal of Allergy and Clinical Immunology
    In Press, Corrected Proof Published online: July 17, 2021
    Wilfried Posch, Cornelia Lass-Flörl, Doris Wilflingseder
  • C5aR inhibition of nonimmune cells ...
    Journal of Allergy and Clinical Immunology, Vol. 147, Issue 6, p2083–2097e6
    April 2021
    Wilfried Posch, Jonathan Vosper, Asma Noureen, Viktoria Zaderer, Christina Witting, Giulia Bertacchi, Ronald Gstir, Przemyslaw A. Filipek, Günther K. Bonn, Lukas A. Huber, Rosa Bellmann-Weiler, Cornelia Lass- Flörl, and Doris Wilflingseder
  • ColdZyme Maintains Integrity ...
    American Society For Microbiology Journals, MBio, Vol. 12,  Issue 2,  e00904-21
    March/April 2021
    Wilfried Posch, Jonathan Vosper, Viktoria Zaderer, Asma Noureen, Samuel Constant, Rosa Bellmann-Weiler, Cornelia Lass- Flörl, and Doris Wilflingseder
  • Turning the World Upside-Down ...
    Cells, Vol. 8, Issue 10, 1292;
    October 2019
    Viktoria Zaderer, Martin Hermann, Cornelia Lass-Flörl, Wilfried Posch, and Doris Wilflingseder

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