Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (16.12.2022)
Innsbruck, am 16.12.2022Kühe stehen angebunden in ihrem eigenen Kot
Anonyme Informant:innen haben den VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN (VGT) auf einen kleinen, verdreckten Kuhstall mit Anbindehaltung im Bezirk Innsbruck aufmerksam gemacht. Die Tierschützer haben Anzeige erstattet.
Eines ist offensichtlich: So wollen Kühe nicht leben! Der Blick in den Kuhstall in einer Ortschaft nahe der Landeshauptstadt Innsbruck, auf den der VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN aufmerksam gemacht wurde, ist erschreckend. Zu sehen sind Rinder, die auf engstem Raum gehalten werden. Sie sind am Hals mit Ketten angebunden. So, dass jede Kuh den Kopf einige Zentimeter nach vorne, oben, links und rechts bewegen kann. Mehr nicht. Der Platz reicht gerade, damit sich jede Kuh hinlegen kann. Und irgendwie auch wieder aufstehen. Das für Kühe normale Aufstehen mit einem weit ausladendem Kopfschwung, wie alle Rinder das unter natürlichen Bedingungen machen, ist nicht möglich.
Für einige Schritte nach vorne, nach hinten oder zur Seite fehlt ebenfalls der Platz. Weil da schon die nächste Kuh steht. Da ist außerdem auch noch die Kette um den Hals, die das verhindert. Deshalb können die Kühe auch die natürliche Fellpflege nicht machen, sie können den Kopf nicht zur Seite oder nach hinten drehen, um sich sauber zu lecken. Nicht einmal umdrehen können sich die bemitleidenswerte Geschöpfe.
Mag. Erich Schacherl, Rinderexperte beim VGT: In diesem Stall können die Kühe ihre Bedürfnisse nicht ausleben. Sie können sich nicht ausreichend bewegen. Sie können ihr Ruhebedürfnis nicht art- und tierschutzgerecht ausleben. Sie können ihr komplexes Sozialverhalten nicht ausleben. Das einzige, was ihnen erlaubt wird, ist, Nahrung zu sich zu nehmen. Die empfindsamen und intelligenten Kühe müssen angebunden in ihrem eigenen Kot stehen und liegen. Wir haben es bei der Anbindehaltung mit gesetzlich legitimierter Tierquälerei zu tun, die in dieser Form erst 2030 abgeschafft wird, und das auch nur teilweise.
Wenn die Kühe sich zum Wiederkäuen oder Ruhen hinlegen, müssen sie sich zwangsläufig in ihren eigenen Kot und Urin legen. Stundenlang. Jeden Tag aufs Neue. Der Stall ist so klein, dass das nicht anders möglich ist. Die Schwänze der Kühe sind mit Stricken nach oben gebunden, damit sie nicht zu stark verschmutzen. Der Boden ist nass, bedeckt von einer Mischung aus Kot, Urin und Stroh. Der trockene, eingestreute Liegeplatz, der gesetzlich vorgeschrieben ist, fehlt. Der VGT hat Anzeige erstattet.
Mag. Erich Schacherl: Wer glaubt, Kühe legen sich gerne in ihren eigenen Kot und Urin, täuscht sich. Unter natürlichen Bedingungen machen sie das nicht. In diesem Stall ist das aber nicht anders möglich. Wenn sie sich hinlegen wollen, um wiederzukäuen oder zu ruhen und schlafen, haben sie gar keine andere Wahl, als sich in den Dreck zu legen. Angenehm und gesund ist das für die Kühe nicht. Außerdem schreibt das Gesetz eindeutig vor, dass ein trockener Liegeplatz für jede Kuh vorhanden sein muss.
Der angezeigte Betrieb ist kein Einzelfall. Anbindehaltung ist in Tirol normal. Laut Agrarstrukturerhebung 20201 gab es im Jahr 2020 in Tirol in 10.362 landwirtschaftlichen Betrieben Anbindehaltungsplätze für Rinder. 4.583 Betriebe davon waren mit Milchkühen, 5.779 Betriebe für sonstige Rinder. Insgesamt waren im Jahr 2020 110.307 Anbindehaltungsplätze für Rinder vorhanden. 52.395 Anbindehaltungsplätze davon waren für Milchkühe vorgesehen, 57.912 Plätze für sonstige Rinder.
Anbindehaltung bedeutet, dass Rinder 9 Monate eines Jahres in einem Stall angebunden werden dürfen. In Tirol ist genau das in vielen Rinderbetrieben üblich. Die Tiere befinden sich in den Sommermonaten auf einer Alm. Dort leben sie tier- und tierschutzgerecht. Die meiste Zeit allerdings – Herbst, Winter und Frühling - werden sie häufig in kleine Ställe gesperrt. In denen entsprechen die Lebens- und Haltungsbedingungen nicht den Bedürfnissen der Rinder. Die Rinder leben nicht tier- und tierschutzgerecht. Erlaubt ist das trotzdem.
Mag. Erich Schacherl: Das Tierschutzgesetz ist in diesem Fall ein TierNUTZgesetz. Es schützt nicht die Rinder, sondern die Halter:innen von Rindern. Ihnen erlaubt das Gesetz, die Tiere unter tierschutzwidrigen Bedingungen monatelang einzusperren. Für den VGT ist das eine Verhöhnung von Tierschutzgrundsätzen. Deshalb sehen wir es als unsere besondere Verpflichtung, konsequent die Öffentlichkeit sowie Konsument:innen über die tierschutzwidrigen Haltungsformen von Rindern zu informieren.
Es gibt in Tirol auch nach wie vor Rinderhaltungsbetriebe mit dauernder Anbindehaltung, in denen die Tiere 365 Tage eines Jahres angebunden werden dürfen. Eine Umfrage des VGT an die Tiroler Bezirkshauptmannschaften im Frühling und Sommer 2022 hat ergeben, dass insgesamt 163 Rinderbetriebe in Tirol die behördliche Bewilligung erhalten haben, Rinder dauernd anzubinden. Im Bezirk Innsbruck sind es 95 Betriebe.
Die dauernde Anbindehaltung von Rindern ist erst ab 2030 (teilweise) verboten. Nähere Informationen finden Sie unter "Anbindehaltung neu".
Der VGT hat eine Petition ins Leben gerufen, die ein Ende der Anbindehaltung für Rinder fordert. Über 55.000 Personen haben diese bereits unterzeichnet.