Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (20.11.2023)
Wien/Italien/EU, am 20.11.2023VGT: Alarmierende Verstöße gegen die EU-Tiertransport-Verordnung
Langstrecken-Transporte von Oberösterreich über Treviso bis nahe der französisch-italienischen Grenze werden illegalerweise als Kurzstrecken-Transporte abgefertigt
Laut der EU-Tiertransport-Verordnung (EU-TTVO) gelten Transporte von lebenden Tieren, die über acht Stunden dauern, als Langstrecken-Transporte und sind dementsprechend abzufertigen. Neue Recherchen des VEREIN GEGEN TIERFABRIKEN aus den letzten Monaten zeigen, dass diese Regelung von Viehhändler:innen einfach ignoriert wird. Transporte von Kälbern, die länger als acht Stunden dauern, werden als Kurzstrecken-Transporte abgefertigt unter Angabe sowohl eines falschen Versandortes als auch eines falschen Bestimmungsortes.
In einem Fall wird als Versandort beispielsweise der Sitz eines Viehhändlers im Bezirk Schwaz in Tirol angegeben, obwohl dieser Händler die Kälber am selben Tag auf einem Kälbermarkt im Bezirk Vöcklabruck in Oberösterreich gekauft hat.
Die Arbeiter:innen auf dem Kälbermarkt gehen mit den Tierbabys sehr grob um: Während sie potenziellen Käufer:innen vorgeführt werden, werden sie herumgeschubst oder ihnen gar der Schwanz verdreht. Das ist extrem schmerzhaft und stellt einen Verstoß gegen §5 des Tierschutzgesetzes dar. Anschließend schiebt sie jemand unsanft durch die Halle. Ein Kalb blutet sogar stark im Gesicht. Auch die vom VGT benannten Kälber Tommi aus besagtem oberösterreichischen Bezirk und Ralf aus dem Bezirk Salzburg-Umgebung wurden auf diesem Markt an den Tiroler Viehhändler verkauft. Infolgedessen wurden sie per LKW zum Sitz des Viehhändlers und dann weiter nach Treviso in Italien transportiert.
Die EU-TTVO definiert den Versandort als der Ort, an dem ein Tier erstmals auf ein Transportmittel verladen wird, vorausgesetzt, es war vor seinem Versand während mindestens 48 Stunden an diesem Ort untergebracht
. Davon gibt es nur zwei Ausnahmen, nach denen auch Sammelstellen als Versandort gelten dürfen: Wenn die zwischen dem ersten Verladeort und der Sammelstelle zurückgelegte Entfernung weniger als 100 km beträgt oder
die Tiere während mindestens sechs Stunden vor ihrem Versand von der Sammelstelle mit ausreichend Einstreu und Frischwasser unangebunden untergebracht waren;
Die Kälber waren keine sechs Stunden bei dem Viehhändler in Tirol und die Entfernung zwischen dem Kälbermarkt und ihm beträgt über 200 km. Daher war der Versandort entgegen den offiziellen Daten aus TRACES 1 in Oberösterreich und nicht in Tirol.
Auch der angegebene Bestimmungsort entspricht nicht der Realität. Nach dem EU-Gesetz ist dieser der Ort, an dem ein Tier von einem Transportmittel entladen und während mindestens 48 Stunden vor seiner Weiterbeförderung untergebracht oder geschlachtet wird. Ein Wartestall nahe Treviso in Nordost-Italien wird als Bestimmungsort angegeben. In Wirklichkeit werden einige der Kälber, darunter Ralf, schon nach weniger als 48 Stunden zu Masthallen in Nordwest-Italien nochmal über 450 km weitertransportiert. Der richtige Bestimmungsort wäre daher die entsprechende Masthalle in der Provinz Cuneo. Die Gesamtstrecke der Kälbertransporte umfasst daher in Wahrheit über 950 km statt 293 km und die Beförderungsdauer 2-3 Tage statt 4 Stunden.
Für Langstrecken-Transporte gelten strengere Regeln als für Kurzstrecken. Beispielsweise muss ein Fahrtenbuch angelegt und ein Notfallplan erstellt werden. Der Transporter muss als Langstrecken-Transporter zugelassen sein und die zurückgelegte Strecke muss mit einem Navigationssystem aufgezeichnet werden, damit die zuständige Bezirkshauptmannschaft kontrollieren kann, ob die Regelungen der EU-TTVO, insbesondere die Beförderungs- und Ruhezeiten, eingehalten wurden. In einem nicht EU rechtskonformen bilateralen Abkommen zwischen Österreich und Italien wird geregelt, dass Sammelstellen als vorläufiger Bestimmungsort angegeben werden dürfen, wenn der endgültige Bestimmungsort zu Beginn des Transportes noch nicht feststeht. In diesem Fall gelten jedoch die Regelungen für Langstrecken-Transporte. Ergo wird in der Praxis nicht einmal das illegale Abkommen eingehalten, das ohnehin schon nachteilig für die Kälber ist.
VGT-Campaignerin Isabell Eckl: Es kann nicht sein, dass trotz unserer langjährigen und zahlreichen Aufdeckungen von illegalen Kälbertransporten immer noch solche Tierquälereien durchgeführt werden. Es ist höchste Zeit, die beteiligten Akteur:innen erneut zur Verantwortung zu ziehen.
Der VEREIN GEGEN TIERABRIKEN erstattet umfassende Anzeigen und fordert ein sofortiges Ende der tierquälerischen Kälbertransporte sowie eine strikte Einhaltung des EU-Rechts von allen Beteiligten. Dazu findet am Dienstag, den 21.11.2023 um 10 Uhr am Stock-im-Eisen-Platz im ersten Wiener Gemeindebezirk eine angemeldete Demonstration gegen Kälbertransporte statt.
Quelle
- Datenbank der EU-Kommission zur Kontrolle, Überwachung und Rückverfolgbarkeit von Tiertransporten
Pressefotos (Copyright: VGT.at)
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