Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (22.03.2024)
Wien, am 22.03.2024VGT-Obmann zu Pröll Gastkommentar Presse: Jagd- und Forstwirtschaft haben versagt!
Mit dem totalen Nutzungsanspruch an Wildtiere und Natur hat sich die Menschheit an den Rand des Abgrunds manövriert – sofortiger Kurswechsel notwendig: Volksbegehren Bundesjagdgesetz
Der derzeitige Landesjägermeister und vormalige Landwirtschaftsminister DI Josef Pröll hat mit seinem Gastkommentar in der Tageszeitung Die Presse bewiesen, dass er keinerlei Einsicht in die großen anstehenden Probleme hat und daher auch keine Bereitschaft, ernsthaft Lösungen anzugehen. VGT-Obmann DDr. Martin Balluch kommentiert: Allein schon seine Behauptung, ein klimafitter Lebensraum brauche
Harvester, Hirn und Hege
, ist an Ignoranz kaum zu überbieten. Der Harvester ist ein über 20 Tonnen schweres Fahrzeug, das beim Befahren des Waldbodens diesen auf Jahrhunderte hinaus schwer schädigt, indem er den Boden verdichtet, die Hohlräume zerdrückt und das Bodenleben vernichtet. Die mit Harvester auf Kahlschlag ausgerichtete Forstwirtschaft produziert Altersklassenwälder mit Fichtenmonokultur und reduziert den Wald zu einer Agrarfläche analog zum Kukuruzfeld. Ein derartiger Wald ist das Gegenteil von klimafit, sämtliche Funktionen des Waldes zum Schutz vor den Auswirkungen des Klimawandels, vom Schutz vor Hochwasser und Dürre über den Schutz vor Hitze und Schadstoffen in der Luft bis zum Schutz vor dem Borkenkäfer und der Speicherung von Kohlenstoff, werden damit zerstört. Wir brauchen dagegen Biodiversität, artenreiche Wälder mit Altersstrukturen und eine Forstwirtschaft mit Einzelbaumentnahme ohne schwere Maschinen.
Und Balluch weiter: Aber auch die Hege völlig überhöhter Schalenwildpopulationen mit Wintergatter und ganzjährigen Fütterungen ist der falsche Weg. Wir haben in Österreich die höchste Dichte an Rehen und Hirschen Europas 1 oder sogar weltweit. Die Folge ist ein dramatischer Wildverbiss im Wald, der in vielen Bereichen jede Naturverjüngung außer der Fichte verhindert. Aber auch für die Wildtiere sind diese Mastanlagen aus egoistischem Jagdinteresse und Trophäenkult alles andere als gut: die Rehe und Hirsche verändern ihre natürliche Verdauung im Winter, sind krankheitsanfälliger, haben einen erhöhten Parasitenbefall, einen höheren Jagddruck und generell viel mehr Stress. Kurz gesagt: Hirn schließt Harvester und Hege aus.
Und Balluch schließt: Prölls Aussagen spiegeln genau jene Mentalität des totalen Nutzungsanspruchs an die Natur wider, die uns Artensterben und Klimawandel gebracht hat. Er nennt die Tier- und Naturschutzorganisationen dogmatisch und nicht lösungsorientiert, hat aber selbst keine Kritik am Bisherigen und eine andere Lösung, als weiter wie bisher, zu bieten. Pröll, und mit ihm die konventionelle Jägerinnen-Schaft, sieht die Natur ausschließlich als Ressource für menschliche Zwecke, und sei es für frivole, wie den Abschuss seltener Tierarten, wie den Auerhahn, oder harmloser Tierarten, wie das Murmeltier. Dem gegenüber steht der Respekt vor der Natur, die Einsicht, dass die Natur nicht nur für den Menschen da ist, dass Wildtiere auch ein Recht auf Leben und einen nicht vom Menschen gestörten Lebensraum haben, und dass Urwald und Biodiversität inklusive großer Beutegreifer die Schlüssel für ein Überleben des Planeten sind.
Als ersten Schritt in diese Richtung wurde das Volksbegehren für ein Bundes-Jagdgesetz initiiert, das momentan Unterstützungserklärungen sammelt, die in jedem Gemeindeamt persönlich oder online per ID Austria abgegeben werden können, damit es im Jahr 2025 stattfinden kann. Die 14 Punkte dieses Volksbegehrens würden die Jagd von einer egoistischen Tätigkeit – zum Schaden von Natur und Tieren kapitale Trophäen zu erbeuten – zu einer Tätigkeit im öffentlichen Interesse, um Biodiversität zu fördern, verändern.
Quelle
- Apollonio, M, Andersen et al.: European ungulates and their management in the 21st century. Cambridge University Press, 2010