


Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (27.07.2022)
Wien, am 27.07.2022Erfolg der Schweine-Vollspaltenboden Kampagne des VGT
Nach drei Jahren intensiver Kampagnenarbeit wurde trotz den erschwerten Bedingungen von Corona-Pandemie Lockdowns schließlich doch ein Verbot erreicht.
Die Schweine waren die großen Verlierer des Bundestierschutzgesetzes, das am 1. Jänner 2005 nach einer intensiven Kampagne des VGT in Kraft getreten ist. Damals hat man die bundesweite Regelung für Schweine an die schlechtesten Landesregelungen angepasst und die Schweinehaltung in manchen Bundesländern nach unten nivelliert. In den Folgejahren gab es nur durch EU-Vorgaben Verbesserungen, insbesondere durch die EU-Richtlinie zu Schweinen von 2008.
Der VGT widmete erst Anfang 2011 eine bundesweite Fokuskampagne den Schweinen, konkret dem Ende der Haltung von Mutterschweinen in sogenannten Kastenständen, also körpergroßen Käfigen. Für die Mastschweine aber blieb die Situation katastrophal. Sie wurden am niedrigsten Niveau EU-weit gehalten, und sogar noch schlechter, da 95 Prozent der Schweine in Österreich routinemäßig der Schwanz kupiert wurde, was aber laut EU-Richtlinie von 2008 explizit verboten ist.
Kampagnenstart
Die Kampagne für ein Ende der Schweinehaltung auf Vollspaltenboden begann am 24. April 2019 mit bundesweiten Aktionen und einer Presseerklärung. Zu dieser Zeit war der Begriff Vollspaltenboden
in der Öffentlichkeit vollkommen unbekannt. Das sollte sich wenig später vollkommen ändern.
Status Quo April 2019:
- Über 80 Prozent der Mastschweine Österreichs wurden auf Vollspaltenboden, also einem mit 1,8 cm breiten Spalten im Abstand von 8 cm durchzogenen Boden ohne Stroheinstreu gehalten.
- Nur 11 Prozent der Schweine Österreichs kamen in Kontakt mit Stroh.
Aktivitäten
Von April 2019 bis Mitte Juli 2022 gab es 1364 Protestkundgebungen und Aktionen des VGT gegen den Vollspaltenboden. Die Petition gegen den Vollspaltenboden ist von 104.867 Personen unterschrieben worden. In 542 Presseaussendungen des VGT wurde für ein Ende des Vollspaltenbodens plädiert. Zusätzlich hat der VGT zahlreiche Dokumentationen von grauenhaften Zuständen in Österreichs Vollspaltenboden-Schweinefabriken an die Öffentlichkeit gebracht.
Dabei musste die Kampagne immer wieder unterbrochen werden. So kam es 2020 zu einem harten Lockdown mit Demoverbot, sodass die gesamte Aktivität online durchgeführt werden musste. Einige weitere Lockdowns später ließen zwar Kundgebungen zu, die aber aufgrund einer viel geringeren Anzahl von Passant:innen weniger effektiv waren. Von November 2020 bis April 2021 musste die gesamte Kampagne vollständig stillgelegt werden, um das Gatterjagdverbot im Burgenland zu retten.
Der Weg zum Verbot
Unter der Interim-Regierung von Kanzlerin Bierlein waren freie Abstimmungen im Parlament möglich. Die Liste JETZT brachte im Juni und Juli 2019 jeweils einen Antrag auf Verbot des Schweine-Vollspaltenbodens in Verbindung mit verpflichtender Stroheinstreu ein, der die Zustimmung von SPÖ und NEOS fand, aber von FPÖ und ÖVP, also einer Mehrheit, abgelehnt wurde.
Am 28. Oktober 2020 präsentierte Landwirtschaftsministerin Köstinger einen Tierwohlpakt
. Demnach würden künftig jährlich € 120 Millionen an Investitionsförderung zur Verfügung gestellt. Für Schweinebetriebe ohne Vollspaltenboden stieg damit der Fördersatz von 25 auf 35 Prozent. Ab 2022 sollten keine Neubauten mit Vollspaltenboden mehr gefördert werden.
Etwa 35 Prozent der Schweine Österreichs aus 1.800 Betrieben sind AMA zertifiziert. Am 20. Juli 2021 verkündete das Fachgremium der AMA zur Richtliniengestaltung für die Schweinehaltung, dass bis 2030 insgesamt 1 Million der AMA-Schweine auf Stroh gehalten werden sollen. Ende 2032 werde kein AMA-Schweinebetrieb mehr den konventionellen Vollspaltenboden haben dürfen. Das schließt aber leider nicht eine Schweinehaltung aus, die überall am Boden Spalten und keine Stroheinstreu hat. Das deshalb, weil eine Reduktion der Spaltenanzahl auf einem Teil der Bodenfläche bereits nicht mehr als konventioneller Vollspaltenboden gesehen wird.
Anfang Mai 2022 ging ein Entwurf zur Reform von Tierschutzgesetz und Verordnung zur Schweinehaltung in Begutachtung. Darin wurde vorgeschlagen, dass ab 2023 alle Neu- und Umbauten dem sogenannten Dänischen System
als Mindesthaltungsanforderung genügen müssen. Demnach sollen die Schweine 20 Prozent mehr Platz bekommen und ein Drittel der Bodenfläche einer Vollspaltenbucht solle nur mehr die Hälfte der Spalten aufweisen. Dieses Drittel wird euphemistisch Liegebereich
genannt. In dieser Diktion ist das Dänische System eine Schweinehaltung mit Funktionsbereichen und kein konventioneller Vollspaltenboden mehr. In diesem Entwurf ist sonst keine Verbesserung für die Schweine vorgesehen, insbesondere nicht einmal ein Ablaufdatum für die konventionelle Schweinehaltung auf Vollspaltenboden.
Das Verbot des Vollspaltenbodens
- Die neue Mindesthaltungsanforderung muss einen physisch angenehmen Liegebereich umfassen
- Die neue Mindesthaltungsanforderung muss ab Festlegung für alle Neu- und Umbauten gelten
- Das
Dänische System
muss ab 2040 ebenfalls verboten werden
Das Verbot der Haltung von Schweinen auf Vollspaltenboden wurde schließlich am 7. Juli 2022 im Parlament beschlossen. Es umfasst folgende Änderungen im Tierschutzgesetz:
- Die Haltung von Schweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereich ist verboten. Diese Bestimmung gilt ab 2023 für Neu- und Umbauten und ab 2040 für alle Schweinebetriebe.
Das Dänische System wird aber so interpretiert, dass es eine strukturierte Vollspaltenbucht mit Funktionsbereich ist und daher grundsätzlich erlaubt bleibt. D.h. alle Neu- und Umbauten müssen ab 2023 zumindest ein Dänisches System haben. - Bis Ende 2026 muss ein neues Mindesthaltungssystem für Schweine entwickelt werden, das das routinemäßige Schwanzkupieren verhindert und einen physisch angenehmen Liegebereich sicherstellt. Der VGT darf sich an dieser Entwicklung beratend beteiligen.
- Bis Ende 2027 muss die Fachstelle zu diesem Mindesthaltungssystem Stellung nehmen.
- Das Ergebnis ist als Grundlage für die Festsetzung der neuen rechtlichen Mindeststandards für die Schweinehaltung heranzuziehen, die ab 2040 für alle Schweinebetriebe gelten müssen. Ab dem Moment dieser Festlegung müssen alle Neu- und Umbauten von Schweinebetrieben diesen Mindeststandards genügen.
- Die bis zur Festlegung der neuen rechtlichen Mindeststandards errichteten Schweinehaltungssysteme mit dem Dänischen System dürfen ab Erstzulassung noch 23 Jahre betrieben werden.
Interpretation
Diese Form des Verbots der Schweinehaltung auf Vollspaltenboden ist das Ergebnis der bestehenden Machtverhältnisse. Zentral ist, dass sowohl der konventionelle Vollspaltenboden, als auch das Dänische System, ein Ablaufdatum haben.
Der neue Mindeststandard ist noch nicht bekannt. Unter Umständen wird er erst 2030 festgelegt. Viel später kann es nicht sein, sonst wäre nicht genug Zeit für den Umbau bis 2040. Ein Dänisches System, das noch 2030 eingebaut wird, darf bis 2053 weiterbetrieben werden.
Der Konflikt um die Festlegung des neuen Mindeststandards ist also auf 2028 verschoben worden. Allerdings muss er das routinemäßige Schwanzkupieren unterbinden und einen physisch angenehmen Liegebereich bieten. Das sind sehr einschränkende Voraussetzungen, die z.B. für das Dänische System nicht gelten. Im Jahr 2028 wird in Österreich eine andere Parteienkonstellation regieren. Ziemlich sicher wird die ÖVP, die sich als Sprachrohr der Schweineindustrie profiliert, dann wesentlich weniger Abgeordnete im Parlament haben und vielleicht auch nicht in der Regierung sein. Dann wird es jedenfalls deutlich einfacher als heute, einen Mindeststandard festzulegen, der wirklich den Bedürfnissen der Tiere entspricht.
Zukunft
Im Herbst 2022 wird eine Normenfeststellungsklage zum Vollspaltenboden in der Schweinehaltung vor dem Verfassungsgerichtshof verhandelt. Es kann durchaus sein, dass der Verfassungsgerichtshof urteilt, dass der Vollspaltenboden, der geringe Platz pro Schwein und die mangelnde Stroheinstreu den Grundsätzen des Tierschutzgesetzes oder den Anforderungen des Staatsziels Tierschutz widersprechen. Dann wird die Abkehr vom Vollspaltenboden viel schneller kommen.
Bis 2030 will die AMA mindestens 1 Million Schweine auf Stroh mit seinem Gütesiegel auszeichnen. Bei den Supermärkten ist ebenfalls eine Bewegung Richtung Ausstieg aus der Vollspaltenbodenhaltung zu bemerken. Wenn es gelingt, diesen Ausstieg bis 2033 zu vollziehen, und dabei als Mindestanforderung eine Haltung auf Stroh statt das Dänische System durchzusetzen, sowohl bei der AMA als auch bei den Supermärkten, dann wird der Vollspaltenboden in der Schweinehaltung noch vor 2040 in den Mistkübel der Geschichte wandern.