Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (21.07.2006)
Eurobarometer zum Nutztierschutz
Die EU-BürgerInnen wurden zu ihrer Einstellung und ihrem Kaufverhalten in punkto Tierschutz befragt
Im Februar und März 2005 wurde im Auftrag der EU-Kommission die Meinung der europäischen BürgerInnen zum Schutz von Nutztieren erhoben. Unter dem Titel „ Die Einstellung der Verbraucher bezüglich des Schutzes von Nutztieren “ wurden in jedem der 25 EU-Staaten persönliche Interviews mit jeweils ungefähr 1000 Personen durchgeführt. Insgesamt wurden europaweit 24.708 Menschen befragt. Die Ergebnisse der zufällig gezogenen repräsentativen Samples wurden mit statistischen Methoden auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet.
Die Ergebnisse wurden im Juni 2005 veröffentlicht. (siehe http://ec.europa.eu/food/animal/welfare/euro_barometer25_en.pdf)
Neben den üblichen domgraphischen Fragen, betreffend Geschlecht, Alter, Ausbildungsgrad, Beruf, politische Einstellung, etc. wurden Fragen zum Konsumverhalten tierlicher Produkte gestellt. Diese reichten von der Frage nach der Häufigkeit des Fleischverzehrs, bis zur Einschätzung der Wichtigkeit von Nutztierschutz und der Bereitschaft einen höheren Preis für tierfreundlicher produzierte Eier zu bezahlen.
Im folgenden ausgewählte Ergebnisse.
1. Fleischkonsum
Mit der Frage „Wie oft essen Sie durchschnitlich pro Woche Fleisch (Geflügel, Rind, Schwein, Fisch, etc.)?“ wurde nach der Selbsteinschätzung des Ausmaßes an Fleischkonsum gefragt. In diesem Zusammenhang wurde auch erhoben, wie viele Menschen sich vegetarisch ernähren.
Wie oft essen Sie durchschnitlich pro Woche Fleisch (Geflügel, Rind, Schwein, Fisch, etc.)?
Österreich hat überdurchschnittlich viele VegetarierInnen
Auffallend ist, dass die Zahl der VegetarierInnen in Österreich weit über dem europäischen Durchschnitt liegt. Österreich hat nach dieser Umfrage einen Anteil von VegetarierInnen von 2,9% der Gesamtbevölkerung und liegt damit an vierter Stelle in Europa, direkt hinter Ländern, die bekannt für ihre lange Tradition einer vegetarischen Bewegung sind, nämlich Großbritannien (4%), Luxemburg (3,5%) und Irland (3,3%). Offenbar ist im „Schnitzl“land Österreich, das traditionsgemäß ja eine enorm fleischlastige Küche aufweist, in letzter Zeit eine Gegenbewegung entstanden. Zu spüren ist das auch am Sortiment der Supermärkte. Mittlerweile gibt es praktisch überall auch vegetarische Spezialitäten wie Tofu- und Seitanprodukte. Die Lebensqualität für VegetarierInnen hat sich in den letzten Jahren in Österreich spürbar verbessert. Es gibt auch in der Gastronomie kaum ein Lokal mehr, das nicht auch vegetarische Gerichte in seiner Speisekarte führt.
Österreich schätzt eigenen Fleischkonsum viel geringer ein, als er tatsächlich ist
Die ÖsterreicherInnen geben einen viel niedrigeren Fleischkonsum an als der Durchschnitt der EU-25. Rechnet man die Antworten auf die durchschnittlichen Tage eines Bürgers/einer Bürgerin um, an denen er/sie Fleisch isst, lassen sich die Angaben aus den verschiedenen Ländern sehr gut vergleichen. Die ÖsterreicherInnen sehen sich gemeinsam mit Italien und Griechenland als jenes Land mit dem niedrigsten Fleischkonsum.
Zieht man als durchschnittliche Tagesportion Fleisch eine Menge von 30dag heran (30 dag Verzehr entsprechen in etwa 45 dag Fleischverbrauch inkl. Knochen, industrieller Verwertung, etc.) und rechnet auf den Fleischverbrauch pro Kopf und Jahr hoch, lässt sich diese Zahl mit dem tatsächlichen Fleischverbrauch vergleichen. Zu sehen ist, dass Österreich neben Italien und Spanien zu jenen Ländern zählt, die ihren eigenen Fleischverbrauch drastisch unterschätzen. Holland, Schweden und Finnland überschätzen ihren Fleischverbauch.
(tatsächlicher Verbrauch: Quelle Eurostat)
Fleischverbrauch
2. Die bedürftigsten Tierarten: Legehühner, Masthühner, Schweine und Mastrinder
Die Frage „ Für welche drei Nutztierarten in der folgenden Liste wäre Ihrer Meinung nach ein Anheben der Tierschutzstandards am wichtigsten? (bis zu drei Antworten möglich )“ brachte folgendes Ergebnis:
Zu sehen ist, dass allgemein Legehühner und Masthühner als jene Tierarten gesehen werden, für die am dringendsten etwas getan werden sollte. Gefolgt von Schweinen und Mastrindern. Es fällt auch auf, dass in Österreich viel mehr Personen als im EU-Durchschnitt, nämlich 10,8% spontan ein Anheben der Tierschutzstandards für alle der angeführten Tierarten gefordert haben. Erschütternd ist, dass die ÖsterreicherInnen bei (Mast-)Kaninchen, die im Allgemeinen unter schrecklichen Bedingungen gehalten werden, sowenig Änderungsbedarf sehen.
3. Einfluss durch Kaufentscheidung
Auf die Frage „ Glauben Sie, dass das Kaufen tierfreundlicher Produkte einen positiven Einfluss auf das Wohlergehen der Nutztiere haben kann? “ wurden folgende Antworten gegeben:
Es ist zu sehen, dass die überwiegende Mehrheit der Meinung ist, dass durch die Kaufentscheidung Einfluss auf das Wohlergehen von Tieren genommen werden kann. In den EU-25 meinen das etwa 80%, in Österreich ist diese Einschätzung mit 83,8% sogar noch weiter verbreitet.
Vegetarismus als Konsumboykott?
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Meinung der VegetarierInnen. Bei diesen zeigt sich, dass sich sowohl weit mehr Personen als in der Durchschnittsbevölkerung sicher sind, dass ihre Kaufentscheidung einen Einfluss hat, als auch dass sich weit mehr sicher sind, dass ihre Kaufentscheidung keinen Einfluss hat. Diese Polarisierung deutet darauf hin, dass sich viele VegetarierInnen aufgrund ihrer Lebensweise bereits mit dieser Frage beschäftigt haben. Der große Anteil an "Ja, sicher"-Antworten kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass viele VegetarierInnen ihre Lebensweise als bewusste Entscheidung zum Konsumboykott von Fleisch sehen.
ManagerInnen schätzen die Macht der KonsumentInnen überdurchschnittlich hoch ein.
4. Eierkauf: welches Haltungssystem?
Mit der Frage „ Wenn Sie Eier kaufen, Eier aus welcher Haltungsform wählen Sie dann? “ wurde die Einschätzung des eigenen Kaufverhaltens von Eiern erfragt. Hintergrund dieser Frage ist auch, dass der Eiersektor, der einzige Sektor in der Tierproduktion ist, in dem sich verschiedene Haltungssysteme etabliert haben, die unterschiedlich tierfreundlich einzustufen sind und in welchem diese Information verpflichtend dem Konsumenten/der Konsumentin auf der Verpackung (bzw. direkt am Ei) kommuniziert werden muss. Es gibt Überlegungen dieses Prinzip auch auf andere tierliche Produkte auszuweiten.
Auffallend ist, dass die Mehrheit der Personen angibt Eier aus Freilandhaltung zu kaufen. In Österreich sogar eine absolute Mehrheit von fast 60%. Leider entspricht das tatsächliche Kaufverhalten nicht den hier gemachten Angaben. EU-weit ist nach wie vor der Verkauf von Schaleneiern durch Legebatterie-Eier dominiert, und in Österreich war er es zumindest noch zum Zeitpunkt der Umfrage Anfang 2005. Die Antworten können aber als Gradmesser dafür genommen werden, dass die Menschen offenbar nach wie vor durch Verpackungen getäuscht werden, die aufgrund der Aufmachung nach Freilandeiern aussehen, oder – und das betrifft vielleicht den größeren Teil – dass es den Menschen unangenehm ist zuzugeben, dass sie auf Kosten der Tiere zu den billigsten, nämlich den Legebatterieeiern greifen. So gesehen, kaufen viele offenbar mit schlechtem Gewissen und die Antworten müssen so korrigiert interpretiert werden, wie sich die Menschen gerne selbst sehen.
5. Große Bereitschaft für tierfreundliche Produkte mehr zu zahlen
Die Antworten auf die Frage „ Wieviel Aufschlag würden Sie für Hühnereier aus einem tierfreundlichen Haltungssystem zahlen? “ zeigen, dass es grundsätzlich eine sehr hohe Bereitschaft gibt, für tierfreundliche Produkte auch mehr zu zahlen. Eine Mehrheit von 62,8% in den EU-25 sind bereit mehr für Hühnereier aus Alternativen Haltungssystemen zu bezahlen.
Wieviel Aufschlag würden Sie für Hühnereier aus einem tierfreundlichen Haltungssystem zahlen?
Der Vergleich der EU-25 mit Österreich zeigt, dass in Österreich die Bereitschaft mehr zu bezahlen in jedem einzelnen Aufschlagbereich größer ist. Diese Frage ist auch im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen im österreichischen Lebensmittelhandel interessant. Seit dem Käfigverbot in Österreich haben ja alle großen Supermarkt- und Diskontketten einem freiwilligen Verzicht des Verkaufs von Käfigeiern zugestimmt. Das war natürlich auch nur aufgrund der grundsätzlichen Bereitschaft der Bevölkerung Alternativeier zu kaufen möglich.
Der internationale Vergleich zeigt folgendes:
Die Bereitschaft für Eier mehr zu bezahlen ist in den einzelnen EU-Staaten in einem extrem unterschiedlichen Ausmaß gegeben. Während in Ländern wie Schweden und Dänemark die große Mehrheit der Bevölkerung (etwa 80%) bereit sind für Alternativeier mehr zu bezahlen, sind es in Ländern wie der Slowakei, Litauen, Portugal und Ungarn nur eine Minderheit von unter 40%.
Nichts desto trotz legt das Ergebnis nahe, dass es noch einige andere europäische Länder gibt, in denen das Österreichische Experiment des freiwilligen Verkaufsverzichts von Käfigeiern funktionieren müsste.
6. Tierschutz hat zu geringen Stellenwert in der Politik!
Es wurde auch die Einschätzung des politischen Stellenwerts von Tierschutz im Jeweiligen Land abgefragt. Die Frage für Österreich lautete: „ Wie schätzen Sie Österreichs derzeitige Nahrungs- und Agrarpolitik ein? Glauben Sie, dass darin Tierschutz einen zu hohen, einen zu niedrigen oder einen gerade richtigen Stellenwert einnimmt?“
Eine überwiegende Mehrheit von 60% der ÖsterreicherInnen ist der Ansicht, dass Tierschutz in der Politik einen zu niedrigen Stellenwert hat, während nur 7,5% der Ansicht sind, dass Tierschutz ein zu hoher Stellenwert zukäme.
Im Durchschnitt der EU-25 zeigt sich in etwa dasselbe Bild:
Der internationale Vergleich zeigt, dass die Meinungen innerhalb der EU beträchtlich abweichen. Es ist aber deutlich die allgemeine Tendenz ablesbar, die für Tierschutz einen höheren politischen Stellenwert einfordert.
Interessant sind auch die Abweichungen je nach politischer Einstellung, Ausbildungsgrad und ob jemand im ländlichen oder urbanen Bereich wohnt.
Politische Einstellung:
Deutlich zu sehen ist, dass Personen die ihre politische Einstellung links einstufen, in stärkerem Ausmaß einen höheren Stellenwert für Tierschutz in der Politik fordern, als jene Personen die sich als rechts bezeichnen.
In Österreich spiegelt sich das im Vorfeld zur Nationalratswahl 2006 dadurch wider, dass SPÖ und Grüne, also jene Parteien die im politischen Spektrum als links gesehen werden, über ein Tierschutz-Wahlprogramm verfügen, während die anderen Parteien ein solches vermissen lassen.
Alter in dem die Vollzeit-Ausbildung abgeschlossen wurde
Auch hier eine deutliche Tendenz: je länger die Ausbildung dauert, desto größer das Bedürfnis nach mehr Stellenwert für Tierschutz in der Politik.
Ländlicher und urbaner Bereich
Personen aus großen Ballungsräumen zeigen eine stärkere Forderung nach mehr Tierschutz in der Politik als solche aus ländlichen Bereichen.