Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (28.09.2006)
Große Schweinerecherche 2006: So sind Schweine wirklich
Schweine sind ausgesprochen intelligente Tiere – ihr IQ übertrifft den des beliebten Haushundes. Sie können bis zu 100 Signalwörter erlernen. Donald Broom von der Cambridge University beschreibt sie als hoch entwickelte Tiere, deren geistige Leistungen in Tests die von dreijährigen Kindern übertrafen. Ihre Neugierde gilt allem Neuen und so werden unbekannte Gegenstände sofort erkundet.
Ihrem Verhalten würde ein Leben in Kleingruppen entsprechen. Schweine legen – entgegen ihres Rufs – ausgesprochenen Wert auf Reinlichkeit. Sobald sie genügend Raum vorfinden unterteilen Sie Ihren Wohnbereich in drei Zimmer: Schlafraum, Essbereich und Klo. Die Gruppe baut hierbei ein Schlafnest mit feinen Ästen und trockenen Grasbüscheln. Das Klo wird zumindest drei Meter entfernt vom Schlafplatz angelegt. Freilebende Schweine findet man daher nie mit Kot verunreinigt sondern bloß voll von Schlamm. Schlammbäder werden von Schweinen deshalb genommen, weil sie über keine Schweißdrüsen verfügen und der Schlamm länger kühl hält als das schneller verdunstende Wasser. Außerdem trocknen in dem Schlamm Parasiten fest, die danach beim Reiben an Bäumen mitsamt des Schlammes beseitigt werden. Gemeinsam gehen sie frühmorgens aufs Klo und gehen danach die Gegend Erkunden und Essen suchen, wobei sie auch die Erde durchwühlen. Als Allesfresser vertilgen sie Eicheln, Gras, Blätter, Beeren, Wurzeln, Käfer, Kräuter, Obst und vieles mehr. Süßes wird bevorzugt, während Salziges eher gemieden wird. Nach dem Essen gehen sie etwas Trinken und Ruhen danach zu Mittag gemeinsam. Nachmittags werden sie wieder aktiv. Das Erkunden und Essen nimmt somit über 70% ihrer Tagesaktivitätszeit in Anspruch. Dabei werden immer wieder Signale ausgetauscht und man beschnuppert einander.
Ortsveränderungen werden meist von den älteren Sauen initiiert, die zusammen mit ihren Töchtern und deren Ferkeln den Kern der Gruppe bilden, während die Eber mit zunehmend Alter einzeln herumziehen und engen Kontakt bloß zur Paarungszeit suchen.
Eine schwangere Sau entfernt sich für die Geburt von der Gruppe, legt ein Nest an und verbringt dort die ersten Tage mit ihren Ferkeln. Die Ferkel beginnen im Alter von zwei Wochen ihrer Mutter zu folgen und die Umgebung rund um das Nest zu erkunden. Am Ende der zweiten Wochen kehren die Mütter mit ihnen zur Gruppe zurück. Dort spielen die Ferkel verschiedener Würfe zusammen indem sie Lauf- und Kampfspiele veranstalten. Ab dem dritten Lebensmonat der Ferkel werden sie nur noch selten gesäugt und schließlich entwöhnt.
Bei freilebenden Schweinen kommt Kannibalismus nicht vor. Schweine sind ausgesprochen friedliche Lebewesen und greifen Artgenossen niemals zum Verzehr an. Wohl vertreiben sie gruppenfremde Schweine, wenn diese in ihr Revier kommen. Allerdings verfügen sie über eine sehr komplexe Kommunikation mit zahlreichen verschiedenen Grunzlauten sowie körpersprachlichen und taktilen Signalen. Ähnlich wie Hunde haben auch sie es nicht nötig sich auf Ernstkämpfe einzulassen sondern begnügen sich mit Drohgebärden und Rempeleien. Verhaltensweisen wie das Anbeißen von Ohren und Schwänzen eigener Gruppenmitglieder sind Störungen, die aus unnatürlichen Lebensbedingungen erwachsen.
Bereits in den 80er Jahren stellte der Verhaltensforscher Alex Stolba fest, dass auch Schweine, die in einer Intensivtierhaltung aufwachsen mussten, bereits nach kürzester Zeit im Freigehege wieder das volle Verhaltensrepertoire des Wildschweines zeigten. Dass Schweine ihre natürlichen Verhaltensweisen also verlieren, wenn sie nichts anderes kennen als das Dasein in monotonen Stallungen ist ein Irrglaube – sobald sie die Chance bekommen führen sie ein Leben, dass ihren Bedürfnis nach Erkundungsverhalten und freundlichem Sozialkontakt entspricht.
Schweine, die ähnlich wie Hunde aufwachsen verhalten sich nicht nur ihren Gruppenmitgliedern sondern auch ihren Bezugspersonen und anderen Tieren gegenüber verschmust und zärtlich. Trotz ihrer immensen Kraft stupsen und spielen sie vorsichtig und schließen jahrelang anhaltende Freundschaften.