Hinweis: Der Inhalt dieses Beitrags in Wort und Bild basiert auf der Faktenlage zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung (03.12.2009)
Wien, am 03.12.2009FachjuristInnen zur Tierschutzcausa
Univ.-Prof. Dr. Petra Velten,
Institutsvorständin des Instituts für Strafrechtswissenschaften
der Universität Linz,
Univ-Prof. Dr. Bernd-Christian Funk
vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht
der Universität Wien und
Dr. Hannes Jarolim, Justizsprecher
der SPÖ
zur Tierschutzcausa.
Univ-Prof. Dr. Petra Velten:
„wenn man sich hier anschaut wie der OGH und die Strafverfolgungsbehörden mit dem [Tierschutz-]Fall umgegangen sind, muss der Verdacht aufkommen […] weil man eben einen Ersatz dafür sucht, dass man einzelnen Personen die Anschläge nicht nachweisen kann, […] greift man jetzt zu den Organisationsdelikten und zwar nicht nur zu dem niedrigeren Organisationsdelikt, bei dem es schon fragwürdig wäre, also bei der Bandenbildung, ob sie erfüllt ist, man geht auch noch hin und bezeichnet die Leute als mafiöse Organisation, obwohl jeder weiß, was die Mafia darstellt und ist und dass das dann qualitativ was ganz anderes ist. Das heißt es entsteht auch für alle NGOs und auch für Fußballvereine oder sonst was mit dieser Auslegung der Straftatbestände krimineller Vereinigung, krimineller Organisation ein sehr hohes Risiko. Deswegen habe ich das in meinem Aufsatz als Sippenhaftung bezeichnet. […] Wenn innerhalb einer großen Gruppe einige Leute Straftaten begehen, werden sie dann genötigt diese auszuschließen, sich von diesen zu distanzieren, und sich sozusagen zu säubern. Das ist sicher nicht der Zweck dieser Vorschriften gewesen.“
„Ein wirkliches Problem stellt dieser weite Mitgliedschafts-Definitionsbegriff dar. […] in sämtlichen Organisationsdelikten war der Versuch anfangend mit der terroristischen Vereinigung, eben zu sagen, wir wollen, dass eine Entsolidarisierung mit den Mittätern stattfindet und das ist genau das, wo man sagt, hier ist die Grenzlinie erreicht, wenn das Strafrecht sozusagen Gesinnungselemente, nämlich, ich erkläre mich solidarisch, was ich mache ist relativ sozial neutral, zum Anlass nimmt, um Straftatbestände zu etablieren.“
Dr. Hannes Jarolim:
„Abgesehen davon ob die Größe von zweimal jeweils 5 Personen, die jeweils einer anderen, konkurrierenden Gruppe angehören, überhaupt vorliegt, gibt es hier ein Ziel, das diese Gruppe verfolgt, und das ist ein gesellschaftlich anerkanntes Ziel, nämlich der Tierschutz, der ja nicht nur gesellschaftlich anerkannt, sondern auch in den Normen, die wir uns jetzt als Gesetzgebung, als Repräsentanten gegeben haben, einerseits Tierquälerei zu pönalisieren, das Tier ausdrücklich als Nicht-Sache zu bezeichnen, woran natürlich auch ein erhöhtes Schutzniveau gegenüber Sachen anknüpft. Das, was typischerweise hier stattfindet, ist, diesem Tierschutz auf eine Art und Weise zum Durchbruch zu verhelfen, der halt manches mal an die Grenzen geht […]. Und ich sage jetzt einmal Greenpeace, jeder von uns kennt die Geschichte mit dem Walfischfang, der hier also erwiesenermaßen unter Verletzung völkerrechtlicher Aspekte stattfindet, die aber sehr effizient sind und wo eigentlich letztlich das, was wir gesellschaftlich normieren, dann dort zum Durchbruch gebracht wird. […] Ich denke, dass wir diese ganze Massentierhaltung mit all ihren grauenhaften Konsequenzen nicht wegbekommen hätten, wenn es nicht dieses Aufzeigen der Folgen und der Umstände gibt.“
„Insofern ist die Unterstellung, dieses Sachverhaltes unter diese Bestimmung also in höchstem Ausmaße nicht nur bedenklich sondern zumindest mit den Diskussionen, bei denen ich teilgenommen habe im Rahmen der Gesetzwerdung, sicherlich nicht vereinbar. […] Ich denke, dass wir mit dieser Entscheidung ein erhebliches Einschüchterungspotential für viele NGOs jetzt geschaffen haben.“
„Der OGH hat eine Entscheidung getroffen, die aus meiner Sicht nicht akzeptabel ist und eigentlich nie intendiert war. [Eine] Klarstellung ist auf jeden Fall notwendig, […] weil es ja letztlich doch ein Drohpotential ist gegen das, was wir alle miteinander brauchen, nämlich NGOs, die im Staat eine ganz zentrale wichtige Rolle haben und wir können nicht dauernd erklären und abfeiern die Vereine und das Vereinsrecht, wie gut das alles ist, und uns zusammentun in unterschiedlichen Konstellationen um Wünschenswertes durchzusetzen und in gleichen Maßen dann derartige Bestimmungen existieren. […] Wenn ich weiß es gibt eine Massentierhaltung in der Nachbarortschaft und ich weiß, was sich dort abspielt, dann wird irgend einmal einen mit den Rechtswerten verfassten Menschen irgendeinmal die Situation so weit kommen, dass man sagt, wenn da die Anzeigen nichts nutzen und die Exekutive nicht einschreitet, dann fühle ich mich den Lebewesen, die ja dort sind, irgendwie so verbunden, dass ich halt dann zu einer Art Nothilfe schreite. […] Da schreibt z.B. eine Finanzbehörde, in einem offiziellen Dokument, das im Akt ist „wenn es gelingt, die Gemeinnützigkeit dem Verein abzusprechen, sind weitere Maßnahmen sinnvoll“, das ist alles andere als neutral und so objektiv, wie das die Behörden eigentlich anwenden sollten, es gibt einen Bericht eines Polizeiorgans, wo er hineinschreibt, dass bei jeder Veranstaltung offenkundig jetzt Exekutivbeamte dabei sind, um alleine durch die Anwesenheit die Gefährlichkeit dieser Veranstaltung nach außen hin zu dokumentieren, d.h. es gibt da also schon ein Netzwerk, das ein offensichtliches Interesse daran hat, das also hier die Bewertung des Sachverhaltes unter dem § 278a gestellt wird, das ist nicht nur eine Frage wie der OGH das sieht, sondern die gesamte Intention, die dahinter ist, das ist schon eher sagenhaft und insofern glaube ich auch, dass man dagegen nur antreten kann, indem man öffentliche Information macht und die Rechtsstaatdiskussion führt und sagt was ist das hier. Haben wir es damit zu tun, dass hier eine Beweislastumkehr stattfindet, dass die Betroffenen sich quasi frei beweisen müssen, dass sie also hier nicht in einer derartigen Organisation tätig sind.“
Univ-Prof. Bernd-Christian Funk:
„Ich hätte schon einen Vorschlag, der ist
eben so radikal wie unrealistisch, aber ich
mache ihn trotzdem, ich frage mich, was würde
sich an Gefährdungspotential ergeben und umgekehrt,
was wäre an Sicherheitsvorsorge weniger, wenn
wir uns die §§ 278 und 278a wegdenken. Ich sehe
eigentlich nichts. Und würde mich daher, wäre
ich im Amt des Justizministers, mit aller Kraft
dafür einsetzen, diese Paragraphen zu entsorgen,
allerdings wäre ich dann sicher nicht mehr lange
im Amt des Justizministers.“
„Es war ja damals schon absehbar wohin der Zug
geht. Vielleicht nicht so weit, wie er dann
zuletzt gegangen ist, nämlich, dass der OGH
die Haftzeit, die Untersuchungshaft, praktisch
fast gleich rechnet mit der drohenden Höchstdauer
der Strafe. Also das muss man sich erst so richtig
auf der Zunge zergehen lassen. Da würde ich
sagen, das ist fast schon denkunmöglich, ist
es aber nicht, es ist geschehen.
Ich würde nicht von der Spitze des Eisbergs
sprechen sondern von einem schön sichtbaren
Teil des ganzen Eisberges, der sich weit über
Wasser hält. Die allgemeine Tendenz geht deutlich,
seit längerem schon, ohne dass ich das jetzt
genau zu datieren versuche, in die Richtung
einer Vorsorgegesetzgebung, die nach dem Prinzip
arbeitet, man weiß ja nicht wofür mans braucht,
aber machens wir auf alle Fälle, denn es kann
ja sein, dass irgendwo sich eine Situation ergibt,
bei der wir dann in Verlegenheit geraten, wenn
wir diese und jene Eingriffsmittel nicht zur
Verfügung haben. Es ist eine Entwicklung, die
sich sehr stark im Bereich des Polizeirechts
zeigt, Stichwort etwa die Ermittlung von Standortdaten
und ähnliche Dinge. Die Fülle an polizeilichen
Ermächtigungen wird deutlich vergrößert, das
ist so eine Art Lawine, die sich da so langsam
weiterschiebt, aber wir finden das interessanterweise
auch im Bereich des Strafprozessrechts und auch,
wie gerade diese Regelungen hier zeigen, über
kriminelle Vereinigung, kriminelle Organisation,
die ich, wie gesagt, für verzichtbar halte.“